Markige Worte gegen die Privaten

■ Nowottny als WDR-Intendant wiedergewählt / Strikter Sparkurs zu erwarten

Es war keine Wahl, es war eine Bestätigung, die beiläufig und ohne jede Emotion blieb. Während zwei Mitarbeiterinnen die Reihen der Rundfunkräte abschritten und die Stimmzettel in ein Holzschächtelchen sammelten, saß Friedrich Nowottny derart unbeteiligt am Kopf der Versammlung, als gelte die Stimmabgabe nicht ihm, sondern einem anderen, imaginären Intendanten. Als dann Rundfunkratsvorsitzender Reinhard Grätz das Ergebnis verlas - 2 Enthaltungen, 3 Nein- und 36 Ja-Stimmen -, erhob sich der frisch Bestätigte, nahm einen Blumenstrauß entgegen, drückte die Hand des Vorsitzenden und legte das Bukett sofort wieder zur Seite. So schnell, daß die Prozedur der Gratulation noch einmal für die Fotografen wiederholt werden mußte.

Eine knappe Geste, die das Nebensächliche der Angelegenheit noch unterstrich und mehr ausdrückte als die wortreichen Stunden, die der Wahl vorausgingen. Friedrich Nowottny ist ein Intendant, der dem WDR einen fast handzahmen Rundfunkrat, in dem sogar die CDU seiner Wiederwahl zustimmte, und eine ruhige Zeit beschert hat - eine allzu stille Periode vielleicht. Der Mut, den ihm viele für die Zeit in Bonn nachsagten, scheint ihn während der viereinhalb Jahre in Köln verlassen zu haben. Zu oft hat er sich um der Harmonie willen einem Schlingerkurs gefügt, der die Position des WDR innerhalb der ARD nicht gerade gestärkt hat. Bisweilen hat man sogar den Eindruck, daß die kleineren Anstalten dem großen Bruder auf der Nase herumtanzen. Der Bayerische Rundfunk hat zum Beispiel die Federführung für das bevorstehende Mittagsprogramm proklamiert und übernommen, just in dem Moment, als die Kölner ebenfalls Pläne für die sogenannte Mittagslücke präsentierten. Ebenso halbherzig beteiligte sich Nowottny am handfesten Streit um die Fußball-Übertragungsrechte.

Die Hoffnung, daß Friedrich Nowottny angesichts einer so eindeutigen Wiederwahl, die ihn weitere sechseinhalb Jahre im Amt bestätigt, klarer Position beziehen würde, wurde schon in Dortmund weitgehend zerstört. Zwar fand der Intendant markige Worte für den Konkurrenzkampf der Privaten. Von „Ärmel aufkrempeln“ war da die Rede und von „aufgeblasenen Cortison-Einschaltquoten“, die andere mit dem Dauereinsatz von Spielfilmen erreichen würden. Nowottny sah „keine Veranlassung für griesgrämigen Pessimismus, auch wenn der eine oder andere Schowmaster sich zukünftig in Gold aufwiegen lassen sollte“ und zu den Privaten wechseln würde. Doch trotz dieser eloquenten Rede konnte Nowottny nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich der WDR in einer nicht gerade beneidenswerten Lage befindet. Status quo nannte die Runde in vornehmer Beschönigung die Situation.

Der Bericht des Verwaltungsrates zeigte, daß dem WDR, der für 1990 noch einen ausgeglichenen Haushalt vorweisen kann, nach 1993 Defizite drohen, die sich nur über eine erneute Gebührenerhöhung oder eine Ausweitung der Werbung in den Abend hinein ausgleichen ließe. In einer Phase, da die kommerziellen Sender auf Zuschauerfang aus sind, ist die Vorstellung von einem strikten Sparkurs des WDR, wie er in Dortmund angedeutet wurde, eine trübe Perspektive. Und Nowottny hat längst klein beigegeben, obwohl der Sturm privater Programmausweitung erst noch hereinbrechen wird: „Ist allgemeine Sparsamkeit Vorsatz unseres Verhaltens, bedeuten 'Einsparungen‘ konsequentes Handeln.“ Eine wahrhaft sibyllinische Formel, die nur nichts darüber verrät, wie der WDR trotz des Sparkurses die Ausweitung der Programme fünftes Hörfungkprogramm und Mittagsfernsehen - finanzieren will.

Es bleibt zu befürchten, daß Friedrich Nowottny auch die neue Amtsperiode dazu nutzt, sein Schiff in seichtes Fahrwasser zu bugsieren. Der kleinmütige Kurs des Intendanten mag auch die CDU dazu bewogen haben, der Wiederwahl fast vorbehaltlos zuzustimmen. Ein Intendant ohne klare Linie ist aus Sicht der Befürworter privatwirtschaftlichen Engagements wünschenwert, während sich die Privaten der Konsolidierung nähern. So lassen sich Positionen leichter besetzen, die den Kommerziellen mit einem starken WDR sicher nicht kampflos zugefallen wären.

Manchmal ist selbst das wenige, mit dem man sich zufrieden gibt, viel zu wenig. Der Rundfunkratsvorsitzende Reinhard Grätz nannte vor allem den Frieden und die Eintracht im Haus als Gründe für seine Empfehlung, Nowottny das Vertrauen auszusprechen. Die Wiederwahl mag also in den Augen der Gremien für eine nützliche Kontinuität sorgen. Nicht immer aber bürgt Reibungslosigkeit automatisch für den Erfolg.

chrib