„Bitte geben Sie uns DDR-Pässe!“

Jürgen Schulze, Karlsruher Studentenvertreter, wandte sich an die Ostberliner Ständige DDR-Vertretung in Bonn / Aktion gegen Mangel an Studentenbuden  ■ I N T E R V I E W

taz: Der „Unabhängige Studierendenausschuß“ der Uni Karlsruhe hat bei der Ostberliner Ständigen Vertretung in Bonn um DDR-Pässe gebeten. Wollen Sie auswandern, Herr Schulze?

Jürgen Schulze: Nein, das eigentlich nicht. Uns ging es um einen Beitrag zur Lösung des studentischen Wohnungsproblems. Langfristig wollen wir den sozialen Wohnungsbau ankurbeln, kurzfristig suchen wir nach Übergangslösungen für Studentinnen und Studenten, die im Oktober auf der Straße stehen.

Wieso könnten da DDR-Pässe Abhilfe schaffen?

Für über 25.000 StudentInnen stehen nur 2.300 Wohnheimplätze zur Verfügung. Deshalb haben wir uns schon teilweise erfolgreich um 30 Notunterkünfte im Durlacher Gefängnis bemüht, das nächstes Jahr abgerissen wird. Wir bemühten uns auch um eine leerstehende Polizeikaserne, aber die Behörden wiesen uns ab. Die Tatsache, daß die Kaserne plötzlich für 250 DDR-BürgerInnen bereitgestellt wurde, hat uns stutzig gemacht. So kamen wir auf die Idee, uns an die Ständige Vertretung zu wenden. Es schien auf der Hand zu liegen: „Was Studienanfängern verwehrt wird, scheint DDR -Flüchtlingen offenzustehen“, wie es in dem Brief heißt. Deshalb baten wir, einen Mitarbeiter der Paßabteilung in der Ständigen Vertretung mit den blauen Pässen vorbeizuschicken, sie gemeinsam an Wohnungssuchende zu verteilen und damit bei den Behörden vorzusprechen.

Ich möchte aber betonen, daß wir nicht wollen, daß unser Problem auf dem Rücken der DDR-Flüchtlinge ausgetragen wird oder daß unsere Bitte als ausländerfeindlicher Akt mißverstanden wird.

Vielen Dank, Herr Schulze, das beugt Mißverständnissen vor. Dennoch finde ich, daß Sie das ohnehin gespannte deutsch -deutsche Verhältnis mit diplomatischen Komplikationen belasten.

Das möchte ich zurückweisen. Diplomatische Verwicklungen durch die Ausgabe von DDR-Pässen an BRD-Bürger haben wir nicht befürchtet. Denn, ich zitiere aus dem Brief: „Schließlich ist es auch bei uns üblich, Pässe an Bürger eines anderen Staates (nämlich die DDR) auszugeben.“ Zu diesem Satz möchte ich klarstellen: Wir finden es richtig, wenn DDR-Bürger - und alle Asylbewerber - einen BRD-Paß bekommen.

Botschaftsbesetzungen erweisen sich in Osteuropa derzeit als probates Mittel zur kurzfristigen Beschaffung von Wohnraum. Sofern die Ostberliner Botschaft auf Ihre Bitte nicht reagiert - denken Sie an eine Okkupation der Ständigen Vertretung in Bonn?

Soweit wollten wir eigentlich nicht gehen. Aber vielleicht könnte man..., nein. Nein!

Das Gespräch führte Petra Bornhöft