Matthiesen auf dem Gentech-Trip

Zuerst wunderten sich die Beamten in den beteiligten Bundesratsausschüssen. Dann, als die Protokolle vorlagen, gingen den Genossen in Kiel, Hamburg, Bremen und Saarbrücken die Augen über. Die Abgesandten des nordrhein-westfälischen Umweltministers Klaus Matthiesen hatten bei den Beratungen des Bonner Umweltausschusses der Länder über den Regierungsentwurf für ein Gentechnik-Gesetz gleich ein dutzendmal mit den unionsregierten Ländern gestimmt und wesentliche Vorstöße der anderen SPD-regierten Länder zum Scheitern verurteilt.

So wollte das Land Bremen die Freisetzung gentechnisch veränderter Organismen grundsätzlich verbieten und nur als Ausnahme zulassen, wenn ein „überwiegendes Interesse der Allgemeinheit“ für derartige Vorhaben vorhanden sei. Mit den CDU-Ländern stimmte Nordrhein-Westfalen gegen diesen Vorschlag, der letztlich darüber entscheidet, ob das Sagen über eine Freisetzung bei den Genehmigungsbehörden oder bei den Betreibern gentechnischer Vorhaben angesiedelt ist.

Matthiesens Beamte verhinderten im Umweltausschuß mit ihrer Stimmenthaltung außerdem eine Regelung, mit der Hamburg eine öffentliche Anhörung bei allen gentechnischen Arbeiten zu gewerblichen Zwecken und bei allen Forschungsvorhaben ab der Sicherheitsstufe 2 (insgesamt gibt es 4 Stufen) zwingend vorschreiben wollte. Ebenso erging es dem Vorschlag des Unterausschusses, Freisetzungen von der Vorlage einer „Nutzen-Risiko-Analyse“ durch die Betreiber abhängig zu machen. Mit den CDU-Ländern wandte sich NRW im Umweltausschuß strikt gegen diese Forderung.

Das Stimmverhalten der Matthiesen-Beamten hat innerhalb der nordrhein-westfälischen Landesregierung zu erheblichen Unstimmigkeiten geführt. Allerdings liege es in der „Kontinuität der Einstellung, die sich im Umweltministerium seit einem Jahr entwickelt habe“, heißt es in Düsseldorfer Regierungskreisen resigniert. Matthiesen, der sich gern als erster Umweltschützer der Nation präsentiert, stehe „der ganzen Sache grundsätzlich positiv gegenüber“ und entferne sich immer weiter von den Vorstellungen der Bundestags -Enquete-Kommission. Diese hatte auf einer strikten gesellschaftlichen Kontrolle der Gentechnik bestanden und ein fünfjähriges Moratorium für Freisetzungen verlangt.

Als sich das Rau-Kabinett am Dienstag dieser Woche traf, um endgültig über die Abstimmungslinie des Landes im Bundesrat zu entscheiden, wurde unter Hinweis auf laufende Verhandlungen mit den unionsregierten Ländern über eine vollständige Zurückweisung des Bonner Entwurfs formell rein gar nichts entschieden. Wenn der Bundesrat heute ebenfalls auf eine inhaltliche Diskussion der unterschiedlichen Positionen verzichtet, bleibe, so fürchtet ein SPD -Ministerialbeamter, „manche Peinlichkeit unter der Decke“ vor allem für Klaus Matthiesen.