Märkische Sandkastenspiele

■ AL-Bauexperten stellen zur Pacht geeignete DDR-Flächen vor / BVG-Nähe und ökologische Kriterien wahlentscheidend / Favorit: Großziethener Gebiet

Der am Dienstag bekanntgewordenen „Momper-Plan“, wegen des Westberliner Flächennotstands DDR-Gelände zu pachten, platzt in eine denkbar ungünstige politische Situation. Die DDR -Führung ist unter Druck und wird trotz lockender Devisen kaum auf die Senatsabsichten eingehen können. Die AL-Bau -Experten Volker Härtig und Michael Michaelis allerdings nahmen gestern des Bürgermeisters Vorstoß zum Anlaß, endlich Ergebnisse eigener Recherchen zum Thema DDR-Flächen der Öffentlichkeit vorzustellen. „Staatsgebiet der DDR zu pachten oder zu erwerben“ sei erforderlich, solle „der erforderliche Wohnungsbau in den 90er Jahren in Berlin (West) nicht zu gravierenden Beeinträchtigungen der Lebensqualität“ in der Stadt führen. Dabei sei keineswegs an ein „Wohnen hinter der Mauer“ gedacht, sondern an eine „Versetzung der Stadtgebietsgrenze“. Laut Härtig und Michaelis kommen dafür Gebiete infrage, die bisher extensiv landwirtschaftlich genutzt würden und „ökologisch wenig wertvoll“ seien. Dabei räumten sie ein, daß weder DDR-Wohn noch Kleingartengebiete, noch Forstgelände oder Biotope „tangiert“ werden dürften. Außerdem sollten die neuen Flächen möglichst in der Nähe von BVG-Anschlüssen und Westberliner Wohngebieten liegen.

Konkret nannten die Bau-Fachleute zwei Geländestreifen in einer Mauerbucht südlich von Buckow beim DDR-Dorf Großziethen (1) und ein Arreal westlich davon, in der Nähe des geplanten Grenzübergangs Schichauweg; weiter eine zwischen Gatow und Staaken nach West-Berlin hineinragende Fläche (2), sowie ein Gelände zwischen Frohnau und dem DDR -Dorf Stolpe im Norden Berlins (3). Favorit der ALer ist das Großziethener Gebiet, zum einen wegen seiner Größe, zum andern wegen der guten Verkehrsanbindung (die U-Bahn-Station Lipschitzallee liegt nur einen halben Kilometer entfernt). Die anderen Flächen schneiden da weitaus schlechter ab. Einen kleinen Nachteil aber haben die Großziethener Wiesen: Es liegen zwei kleine DDR-Siedlungen drin, die, so Härtig, „behutsam umgesetzt“ werden müßten, damit sie nicht vom übrigen DDR-Kreisgebiet abgeschnitten werden. Härtig betonte, daß die AL-Vorschläge keinesfalls als schleichende Landnahme zu verstehen seien, sondern als eine „Arrondierung Westberliner Gebiets“, die beim Flächenmangel „Luft schaffen“ solle.

Härtig und Michaelis rechnen für die nächsten Jahrzehnte mit einem Westberliner Wohnungsbau-Flächenbedarf von etwa 500 Hektar, im Gegensatz zu den Annahmen des Flächennutzungsplans, der von etwa 200 Hektar ausgeht. Der Flächennutzungsplan, so Härtig, sei auf den rapiden Einwohnerzuwachs „nicht eingestellt“. Der FNP sehe ein „langsames Einpendeln der Bevölkerungszahl bei rund zwei Millionen Einwohnern“ vor, tatsächlich aber wachse die Wohnbevölkerung jährlich um mehrere Zehntausend. Allein mit zusätzlichen Wohnungsbau-Standorten in der Stadt und „zusätzlicher Verdichtung“ sei diesem Wachstum nicht beizukommen. Rechnet man die von Härtig und Michaelis vorgeschlagenen DDR-Flächen zusammen, kommt man auf grobe 700 Hektar - mehr als der von ihnen geschätzte Mehrbedarf.

Ist der Plan der AL-Bauexperten überhaupt realistisch? Sie meinen ja. Zwar sei das Ganze in der momentanen deutschlandpolitischen Situation für die DDR „eher eine Zumutung“, doch insgesamt sei ihr Vorschlag „weder politisch noch rechtlich undurchführbar“. Natürlich sei für eine mögliche Übertragung von Hoheitsrechten erst mal die Zustimmung der DDR und dann auch das Plazet der Alliierten nötig. Doch das Viermächteabkommen schließe - siehe bereits durchgeführte Gebietsaustauschverhandlungen - „Veränderungen des dem Abkommen zugrundeliegenden Stadtgebiets nicht aus“. Auf jeden Fall sei bei veränderter politischer Wetterlage an die DDR-Flächen für Wohnungsbau potentiell „leichter heranzukommen“ als an die Flächen der Alliierten, die so groß sind wie Kreuzberg und Schöneberg zusammen. Denn während es in „Paris, London und Washington widerstrebende, aber eindeutige Interessenlagen“ gebe, könne für die DDR zumindest großes Interesse an Devisen angenommen werden. „Das wäre bares Geld“, so Härtig, „und zwar in dreistelliger Millionenhöhe“.

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