AL: „Antwort baldmöglichst erbeten“

■ AL-Vorstand schreibt Brief an Momper: Neue Gespräche zur Verhinderung der Stromtrasse / Kompromiß mit 110 kV in Sicht? / Lagebesprechung der SPD am Samstag

Der Beschluß der AL-Mitgliederversammlung, den Bau einer Stromtrasse jeglicher Art abzulehnen, hat sich gestern in einem Brief an Walter Momper niedergeschlagen. Der AL -Vorstand, der sich am Donnerstag und Freitag mit der von den Mitgliedern indirekt aufgeworfenen Koalitionsfrage beschäftigte, teilte Momper in einem gestern vormittag formulierten Brief mit, daß nach dem Beschluß der MVV zwischen den beiden Koalitionsparteien „grundsätzlich entgegengesetzte Positionen bestünden“. Einvernehmlichkeit sei nur dann wieder herzustellen, wenn die SPD ihre bisherige Haltung aufgebe, und bereit sei, „die Frage der Verhinderung der Stromtrasse erneut zum Gegenstand von Koalitionsgesprächen zu machen“. Eine Antwort werde „baldmöglichst erbeten“.

Die SPD war gestern offenbar über den Begriff „Koalitonsgespräche“ ziemlich irritiert, was das Vorstandmitglied Harald Wolf wenig später zu der Präzisierung veranlaßte, die AL wolle selbstverständlich keine Koalitionsgespräche im Sinne einer Neuverhandlung des gesamten Koalitonsvertrages, sondern mit der SPD im Koalitionsausschuß über die „Umsetzung der Koalitionsvereinbarung“ sprechen. Ansonsten gab es gestern von SPD-Seite noch keine formelle Antwort auf den Brief, Senatssprecher Kolhoff sagte, die SPD werde sich am heutigen Samstag auf einer „Lagebesprechung“ mit der ganzen Situation beschäftigen. Er betonte erneut, daß die SPD rechtlich nach wie vor keine Möglichkeit sehe, die Bewag zu zwingen, aus dem Stromlieferungsvertrag auszusteigen. Auch AL-Senatorin Schreyer habe bisher immer diese Einschätzung geteilt.

Für den kommenden Montag abend hat der AL-Vorstand einen Sonderdelegiertenrat „zur Lage der Koalition“ einberufen, der sich mit der bis dahin sicherlich vorliegenden Reaktion der SPD beschäftigen wird.

Wie aus dem Brief an Momper hervorgeht, möchte der AL -Vorstand mit der SPD etwas grundsätzlicher über Umgangsformen innerhalb der Koaliton und über „die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung“ sprechen: In dem Beschluß gegen die Stromtrasse komme eine „zunehmende Unzufriedenheit vieler AL-Mitglieder“ über die zögerliche Umsetzung einzelner Teile der Koalitionsvereinbarung zum Ausdruck. Eine Einschätzung, die auch die Fraktion der AL mehrheitlich teilt, wie in ihrer Erklärung vom Donnerstag zum Ausdruck kommt. Die Fraktion kritisiert zum Beispiel, daß die Flüchtlingsanweisung von Innensenator Pätzold „zunehmend ausgehöhlt“ werde und die Vorlage von AL-Senatorin Schreyer zur Änderung des Flächennutzungsplans im Senat immer wieder vertagt wurde. Vom GA kam die Kritik, daß sich die SPD -Fraktion bisher nicht auf einen „Prüfantrag an den Senat“ eingelassen habe, ob die Stromtrasse nicht mit der „kleineren Lösung“ (schwächere 110 Kilovolt-Leitung) gebaut werden könnte.

Erste Kompromißbereitschaft bei den Sozialdemokraten zeichnete sich gestern jedoch bereits ab. Bundessenatorin Heide Pfarr (SPD) trat gestern in Bonn Spekulationen über einen möglichen Bruch des rot-grünen Bündnisses entgegen. Pfarr: „Im Senat ist man bereit, weitere Gespräche über die genaue Trassenführung (ober- oder unterirdisch) zu führen, bzw. auch darüber, ob es 110 Kilovolt bzw. 380 Kilovolt -Leitungen geben soll.“

Auch die Vorsitzenden von DGB und ÖTV, Pagels und Lange, forderten den Senat auf, „die Kapazität, den Weg und die Art der Trasse“ zu überprüfen.

urs/taz