Performance - die Kunst der Frauen

■ In Köln startete am letzten Wochenende ein Frauenkulturprogramm: Theater, Kunst und Musik bis zum Sommerloch 1990

Ingeborg Braunert

Frauen setzen Zeichen“ oder auch Frauenzeichen heißt das Programm, der Kreis mit dem Kreuz untendran taucht nicht auf, die Farbe lila fehlt auf dem Plakat und gedrucktem Programm, nur bei der Garderobe des Publikums waren violette Töne auszumachen. Aber das lag wohl an der Herbstmode '89.

Doch auch trotz der Absenz gewohnter feministischer Erkennungszeichen hatten viele in und mit der (vor allem „bildenden“) Kunst tätigen Frauen Schwierigkeiten mit dem Titel. Wie überhaupt mit der Idee, Kunst von Frauen als etwas Besonderes und als eigenes Programm vorzustellen. Galeristinnen wie einzelne bekannte Künstlerinnen verweigerten sich. Die Abneigung vor dem Etikett Frauenkunst als etwas, was das Geschlecht vor das Produkt setzt und letzteres damit herabsetzt, war gerade bei den Frauen, die sich in Kunstwelt und Kunstmarkt durchgesetzt haben, besonders groß. Gleich bei der ersten Veranstaltung von Frauenzeichen, der Eröffnung einer Ausstellung mit Werken von Chrysantha, Gloria Friedmann, Ingrid Hartlieb und Gina Pane in der Kunststation St. Peter, wo anschließend die Komponistin Pauline Oliveros ihr Deep listening aufführte, begann die Leiterin der Kunststation, Frau Dr. Katharina Winnekes, ihre Rede mit der Feststellung, daß die ausstellenden Künstlerinnen professionelle seien, also mit Frauenkunst und Feminismus nichts zu tun hätten. Und sie endete: „Nicht Frauen setzen Zeichen, Künstler setzen Zeichen, Kunst setzt Zeichen.“ Das, was sie dazwischen zur ausgestellten Kunst sagte, unterschied sich dann auch in nichts von dem Geschwätz von Höhe, Tiefe, Spannung, Verletzung, Schmerz, Material et cetera, das auch ihre männlichen Kollegen von der Kunsthistoriker und -kritikerzunft angesichts vieler zeitgenössischer Kunst zum Besten geben.

Auch von der anderen, quasi entgegengesetzten Seite wurde das Projekt angegriffen, noch bevor es begonnen hatte. Frauen der freien Kulturszene und die grüne Fraktion im Stadtrat argwöhnten nach der ersten Vorstellung des Konzepts durch das Kulturamt nicht zu Unrecht, daß hier wieder einmal ein Festival geplant sei, das mehr dem Ruhme Kölns als dem der hier künstlerisch tätigen Frauen dienen sollte. Die Kritik wurde angenommen, Kölner Projekte wurden aufgenommen. Frauenzeichen heißt jetzt nicht mehr „Festival“, sondern „ein Kölner Programm“ und dauert bis zum Sommerloch 1990. Es bietet, wie die Kulturamtsorganisatorin Renate Liesmann -Gümmer nicht müde wird zu betonen, „eine bunte Mischung aus international anerkannten Künstlerinnen sowie Kölner Projekten und Nachwuchskünstlerinnen“. Der erste Programmteil liegt bis November fest und hatte nun, vom 14. bis 17.September seinen konzentrierten Auftakt. Im Theater

Theater wurde ausschließlich von freien Kölner Theatern geboten, die nicht eigens für Frauenzeichen, sondern sowieso gerade Stücke produzierten, die von Frauen für Frauen über Frauen geschrieben und inszeniert wurden. Drei Stücke habe ich angesehen und war von allen enttäuscht.

In der „Comedia Colonia“ hat Angelika Bartram, die dortige Hausautorin für Kinder- und Märchenstücke, für Erwachsene den Rotkäppchenreport, Satire auf die Suche nach dem Märchenprinzen geschrieben und mit den in Köln beliebten Unterhaltungskünstlern Dirk Bach und Samy Orfgen inszeniert. Ein alberner Ulk, dessen Gags müder sind als die von Walter Bockmayer, der sonst in Köln zuständig ist für dieses Genre zwischen Travestie und Parodie und der mit denselben Darstellern sowas erfolgreich in seinem Kneipentheater „Filmdose“ produziert. In Köln liebt man solche Scherzartikel in der karnevalsfreien Zeit.

Das Stück Ereshkigal (Studiobühne) meinte es ernster; es nennt sich „internationales Frauenprojekt“ und ist ein von sieben Frauen aus verschiedenen Nationen, die teilweise als Flüchtlinge und Asylbewerberinnen hier leben, und einer deutschen Regisseuse namens Birgit Heintz erarbeitetes Stück - ein Laientheaterprojekt also, von mehr sozialarbeiterischer als künstlerischer Intention. Wogegen nichts einzuwenden wäre, wenn es - wie angekündigt wirklich Erkenntnisse und Erfahrungen über die Situation der Frauen, die hier als Fremde leben, vermittelt hätte. Aber die Frauen, die hier auf einem Schiff (Symbol!) versammelt sind, erzählen sich nur Gutes über ihre Mütter und Großmütter. Eine, die Finnin, will von Bord, weil sie Termine wahrnehmen möchte (Karrierefrau!), wird dann aber von der titelgebenden Ereshkigal, laut Programmheft „die Göttin der Tiefe“ mit viel Tamtam und Budenzauber ins Reich der Frauen und Mütter heimgeholt.

Im kleinen Theater am Sachsenring hat Hannelore Honnen einige von Rosa Luxemburgs Briefen aus dem Gefängnis und Teile aus Colettes Erzählung Ein recht einfaches Leben auf die Bühne gebracht. Titel des Stücks: Frau Armand trifft Rosa Luxemburg nicht. Der Grund: Hannelore Honnen hat es mit ihrer Inszenierung verhindert. Sie beläßt die Originaltexte, die nicht fürs Theater geschrieben sind, und die ganze Dramatisierung besteht darin, daß zwei sich ähnelnde und gleich gekleidete Schauspielerinnen auftreten und abwechselnd oder unisono sprechen. Anna Abraham und Dana Savic spielen vor der Pause also Rosa Luxemburg in Frisur und Kleidung von Oberschwestern und memorieren Briefe an weibliche Adressatinnen, vor allem an Mathilde Jacob, Rosas Sekretärin. Wäre nicht auch ein Antwortbrief an eine Genossin dabei, die sich wohl für mangelndes Draufgängertum entschuldigt haben muß, hätte man an diesem Abend nicht erfahren, was R.L. über die deutschen Sozialdemokraten dachte: daß sie nicht nur nicht draufgängerisch - nein, daß sie überhaupt nicht gängerisch, sondern lediglich kriechend seien. Nach der Pause spielen die beiden dann Frau Armand, der das Große in ihrem eintönigen Leben fehlt und die Selbstmord begeht, um wenigstens vor dem Sterben große Gefühle zu kriegen. Was ihr aber nicht gelingt. Colettes Text spricht wunderbar leicht von solch schweren Dingen, ist ironisch, ohne die Person, die das sagt, zu desavouieren. Nichts davon an diesem Abend. Galerientour

Trotz der Weigerung einiger renommierter Galeristinnen und Künstlerinnen, sich das Frauenzeichen aufdrücken zu lassen, konnte man an vielen Orten Bilder, Skulpturen, Videos und Installationen von Frauen sehen, sogar soviel, daß ich es trotz Bemühen nicht schaffte, das von Renate Liesmann-Gümmer ausgearbeitete Programm der Galerienwanderung ganz zu absolvieren. Aber ich war immer da, wenn in einer Galerie oder andernorts etwas Besonders stattfand: eine Performance.

Die in Köln lebende Angie Hiesl ist hier für ihre Performances an ungewöhnlichen Orten bekannt, und für bewundernswertes akrobatisches Können. Für Frauenzeichen kreierte sie eine Wasserperformance auf Gleis 3 des Hauptbahnhofs (im letzten Jahr machte sie es im Hallenbad). In einem mit Wasser gefüllten Kubus, dessen Wände zunächst mit Fotos von einem heterosexuellen Paar bedeckt waren, machte sie alle im Wasser möglichen Bewegungen, riß die Fotos ab und vollführte dann schwerelose Figuren. Sie wählte den Hauptbahnhof zu belebten Zeiten, weil es ihr um Abschied und Ankunft ging. Das habe ich zwar erst hinterher erfahren, aber es war doch ungewöhnlich und erheiternd, sie zwischen den ankommenden und abfahrenden Zügen samt den staunenden Passagieren schweben zu sehen.

Die anderen Performances fanden in Galerien statt, also dort, wo diese Kunstform vor über zehn Jahren erfunden wurde als die Möglichkeit, Werk und Autor in eins zu setzen und unverkäuflich zu machen. Daß es gerade Frauen sind, die diese Kunstform pflegen und ausbauen, liegt auf der Hand. Wurde ihnen doch lange genug nachgesagt, daß sie nicht eigentlich kreativ, das heißt nicht fähig seien, echte Kunst zu schaffen, höchstens sie anzuwenden oder zu interpretieren. Frauen als Interpretinnen der Werke der Männer, ob als Schauspielerinnen, Sängerinnen, Instrumentalistinnen oder Tänzerinnen - das gab es schon lange. In der Performance fallen Schöpfung und Interpretation des Werks zusammen.

Zwei Performances standen in enger Verbindung mit bildender Kunst. Marie-Lu Leisch bewegte sich in einem roten Schlauchkleid, das unten zugenäht und auch über den Kopf zu ziehen war, vor einem Bild von Louise Barbu, das dasselbe Rot enthielt. In der von Elisabeth Jappe betriebenen Moltkerei (die so heißt, weil sie in der Moltkegasse liegt), Kölns erster Adresse für Performances, führten die Malerin Monika Bartholome und die Tänzerin Nadia Kevan Bilder in Bewegung vor, wobei die schwarzgekleidete Tänzerin mit weißen Kuben und einem schwarzen Rechteck solche Bilder darstellte, wie die Malerin sie zeichnet und lithografiert. Beide Performances waren mir zu dekorativ, zu kunstgewerblich.

Anders die Musikperformances, vor allem die, bei denen ein Instrument mit im Spiel war. Aufregend und schön Pauline Oliveros: wie sie dastand, ruhig und stämmig, in der Kunststation St. Peter (eine alte hohe Kirche, die gleichzeitig Galerie ist) und mit knappen Bewegungen ihrem Akkordeon Geräusche, Töne und Melodien entlockte und dann ihre Stimme darauf, daneben und darunter legte. Joelle Leandre, die nicht größer ist als ihr Kontrabaß, trat mit diesem in der Galerie Carla Stützer zwischen Skulpturen von Victoria Bell und Gisela Kleinlein auf. Sie strich und zupfte ihn und produzierte dazu mit ihrer Stimme hohe und tiefe Töne. Und schließlich vollführte sie mit Tönen und Gesten einen Slapstick über das Problem, mit ihrem Instrument ein Taxi zu nehmen.

Es gab auch Galerien ohne Performance. Paul Maenz, eine der feinsten Adressen im Kunstmarkt, stellte das Werk Existenz der Hamburgerin Hanne Darboven aus. Es ist ihre eigene Existenz von 1966-1988, die sie offenlegt, indem ihre Taschenkalenderseiten, voll mit Notizen aus diesem Zeitraum, zu besichtigen sind. Diese Seiten sind im Verhältnis 1:1 abfotografiert und jeweils zwei dieser Fotos auf weißem Passepartout sind hinter Glas zu einem Bild gerahmt. Die Bilder bedecken in chronologischer Reihenfolge alle großen Wände der feinen Galerie von unten bis unter die Decke. Ein souveränes, ironisches Spiel mit der Kunst und dem Kunstmarkt - vielleicht kann sich das nur eine Künstlerin vom Renommee einer Hanne Darboven leisten.

Die Galerie KAOS betreibt Marianne Tralau in einer Wohnung im 2. Stock: Die Lichtverhältnisse sind nicht besonders geeignet für eine Galerie, aber man sitzt in der Küche, schwätzt und trinkt Kaffee. Auch hier waren Fotos ausgestellt, schwarz-weiße von Karin Wieckhorst aus Leipzig. Sie hat 1986 bis 1989 Künstler und Künstlerinnen in Leipzig, Berlin (DDR), Dresden und Halle besucht und sie fotografiert. Die ausgestellten Fotos sind immer gleich angeordnet: unten ein Ganzkörperporträt des jeweiligen Künstlers in seinem Atelier, darüber zwei Kopfporträts, wobei eines vom abgelichteten Künstler nachträglich durch Übermalung oder anderswie verändert wurde.

Fazit der Galerientour: Frauen benutzen und behandeln alle Formen, Formate, Materialien und Themen wie Männer auch. (Wer hätte das gedacht! d.S.) Außerhalb von Frauenzeichen wird im Kunstverein zur Zeit die Ausstellung Landschaft in der Erfahrung gezeigt. Unter den dort gezeigten Arbeiten von 15 Künstlern sind die der drei beteiligten Frauen die kühnsten im Umgang mit Material, Technik und Thema: Lilli Fischer mit ihren Fotos, Zeichnungen und der Installation zum Teufelsmoor, Gloria Friedmann mit Erde, Wasser, Glas und Anne Winteler mit ihrer Video-Installation von acht Monitoren zu den Schweizer Alpen. Diese drei sind zugleich die jüngsten unter den dort Ausstellenden. Musik pur

...gab es abendfüllend von Meredith Monk (Stimm-Performance) in der Philharmonie, in der Opfer (nur im Foyer) Werke von Komponistinnen von Elisabeth-Claude Jacquet de al Guerre (1664-1729) bis Carola Bauckholt (geb. 1959), alle ausgeführt von weiblichen Interpretinnen, und als Abschluß WoMen in Jazz in der Philharmonie. Da sah man erstmals wieder Männer auf der Bühne. Bei Irene Schweizers (auch Schweizerin) Gruppe Taktlos zeigte sich, daß im Free Jazz Frauen und Männer gleichermaßen kreativ miteinander und gegeneinander harmonieren und disharmonieren können. Die Bandchefin am Klavier, Joelle Leandre mit ihrem Kontrabaß und Maggie Nicols mit Stimme und Füßen genauso wie Yves Robert mit Posaune und Günter „Baby“ Sommer mit Schlagzeug.

Ob Kunst von Frauen eine andere ist oder sein soll als die von Männern - darüber habe ich mir trotz des Überangebots keine Klarheit verschaffen können. Anfang November werden unter dem Frauenzeichen die Künstlerinnen Dorothea von Windheim, Anna Oppermann und Marie-Jo Lafontaine und danach die Theoretikerinnen Renate Berger, Gertrud Jula Dech und Rossana Rossanda über Das Ich der Künstlerin referieren. Vielleicht wissen die eine Antwort.