Money, money, money....

 ■ V O R L A U F

Fernsehen, wer wüßte es nicht, wird in Häppchen serviert. Heute auf der Karte: Schnittchen live von der IAA, oder lieber was Rustikal-Volkstümelndes von der Buga? Auch Deutschlands dickster Fernsehpfarrer wird mit Leib und Seele feilgeboten, und, nicht zu vergessen, als Dessert: Carrasco, der Schänder. Daß gerade diesem Anti-Christ Das Wort zum Sonntag vorangestellt ist, kann schon fast kein Zufall mehr sein. Doch im Ernst, es stellt sich die Frage: Was verbindet das eine mit dem anderen? Was hat beispielsweise Martin Ritts US-Western mit der Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt zu tun? Einfache Antwort: nichts. Fernsehen 1989 ist Ritual; für die Öffentlich -Rechtlichen ebenso wie für die Privaten. Einzementiert in eine starre Programmstruktur folgt in der Regel Sendung auf Sendung, und die Tagesschau um 20 Uhr ist dabei so unabänderlich wie das Fernsehen selbst.

All das muß nicht sein, behauptet jedenfalls die Redaktion Das kleine Fernsehspiel und startet am Sonntag einen TV -Großversuch. Freilich nicht im ZDF-Hauptprogramm, sondern auf der Mainzer Experimentierwiese 3-SAT. Ein ganzer 3-SAT -Fernsehtag, immerhin zwölfeinhalb Stunden, kreist nur um ein Problem: Es geht ums Geld. Hinter dieser Überschrift verbirgt sich das erste Einzelstück aus der Fernsehwerkstatt „quantum“, in der die Redakteure des „Kleinen Fernsehspiels“ Hand anlegen. Ohne das Diktat der Programmstruktur und der Einschaltquote im Nacken wurde ein Sendetag entworfen, dessen Beiträge einen gemeinsamen thematischen Nenner haben

-das Geld. Kernstücke des Tele-Visionsexperiments bilden drei Gesprächsrunden zum bekannten Thema. Imponierend die Zusammensetzung: Da wird ein Ex-Bankräuber mit einem Aufsichtsratsvoritzenden der Öko-Bank an einem Tisch sitzen, und ein Gerichtsvollzieher muß sich mit einer Sozialhilfeempfängerin auseinandersetzen. Zwölf weitere Gäste sind von ähnlichem Kaliber. Dem live gesendeten Marathon-Talk werden Filmeinspielungen gegenübergestellt.

Beispiel: Der Traum vom großen Gewinn, geträumt in Hunderten von Game-Shows, und immer war ein Millionenpublikum mit dabei. Ob Wim Thoelke oder Lou van Burg, ob Vico Torriani oder Günter Schramm - die Kohle ist überall geflossen. Das Glück, das Dir treu bleibt, eine 15minütige Collage aus Spielshow-Ausschnitten von Carl -Ludwig Rettinger, widmet sich diesem obskuren Fernsehgenre, das seit Jahr und Tag mit den Luftschlössern der kleinen Leute Schindluder treibt. In eine ganz andere Welt hingegen führt das Dokumentarvideo aus der Berliner Pennerszene: Bettler, ein Beitrag von Manfred Hulverschmidt. Die Beispiele zeigen: Hier werden, mal medienkritisch, mal sozial, Extreme ausgelotet.

Den Blick nach oben richtet Alexander Kluges Filmessey Die letzten Tage der Krise über den Bankenkrach um den Grafen von Gahlen. Schlußpunkt des Tagesprogramms: Bertrand Taverniers düstere Zukunftsvision Der gekaufte Tod (1979). Romy Schneider in der Rolle einer totkranken Frau, die einer Sendeanstalt die Rechte verkauft, ihr Sterben zu übertragen.

Die beiden Schienen des Sendetages, Gesprächsrunde und Filmeinspielungen, sind nicht über ein Zeitraster, das Beginn und Ende einer Sendung markiert, miteinander verzahnt. Vielmehr ist daran gedacht, je nach Bedarf zu springen. Aus dem Film raus, rein in die Diskussion und umgekehrt. „Ein flexibler, spontaner Programmablauf ermöglicht Überraschungen und steigert das Zuschauerinteresse, 'dabei zu bleiben‘ und die Entwicklung eines Themas weiter zu verfolgen“, heißt es im ZDF -Pressetext. Angestrebt ist eine Zuschauerbindung durch Überraschungseffekte. Das Kanalspringen via Fernbedienung, zapping, wie die Amerikaner sagen, die ständige Suche nach neuen Reizen - hier ist sie überflüssig, denn das „Geld-Tag“ -Programmschema liefert das Unvorhersehbare, den unvermittelt auftretenden Reiz gleich mit. Das leuchtet ein. Was aber macht ein Zuschauer, der ausschließlich Taverniers Der gekaufte Tod sehen will? Anders gefragt: Begünstigen die gleitenden Übergänge im Programmablauf nicht die Entwicklung des Fernsehens vom Primär- hin zum Sekundärmedium? Das heißt: Fernsehen in Zukunft nur noch nebenbei, beim Bügeln, Essen, Kinderwickeln?

Friedrich Frey