piwik no script img

Bewegung im Oberhaus

■ Der US-Automarkt sorgt für eine neue Fusionswelle bei Westeuropas Autobauern: Gefragt sind die Hersteller von Nobelkarossen

Teil 31: Dietmar Bartz

In den wilden Phantasien der Automarkt-Beobachter stehen fast alle kleineren europäischen Pkw-Hersteller zum Verkauf: Saab, Volvo, Porsche, die britische Vickers mit ihren Edelprodukten Rolls-Royce und Bentley, aber auch BMW. Immer wieder kommen auch Gerüchte auf, daß sogar einer der „großen sechs“ für Kapitalbeteiligungen bereitstehen könne: der staatliche französische Regiebetrieb Renault.

Von den anderen fünf sind drei durch Zukäufe mit mehreren Marken auf dem künftigen Binnenmarkt präsent: Fiat hat sich Lancia und Alfa Romeo zugelegt, VW besitzt außer Audi auch den spanischen Hersteller Seat, Citroen wird von Peugeot beherrscht. Die beiden großen US-Konzerne General Motors (Vauxhall und Opel) sowie Ford sind allerdings in den letzten Jahren wiederholt mit dem Vorhaben gescheitert, sich einen der noch verbliebenen kleineren Hersteller zuzulegen.

Vor allem Ford: Die Rover-Gruppe landete 1986 nicht beim zweitgrößten Autohersteller der Welt, sondern bei British Aerospace und wird jetzt mit Honda verflochten; der japanische Autobauer erhält eine 20prozentige Beteiligung an Rover, Rover dafür einen ebenso hohen Anteil an einem neuen Honda-Werk in Südengland. Und im Kampf um Alfa Romeo unterlag Ford dem Einfluß von Agnellis Fiat-Konzern. Eine weitere Schlappe, jetzt beim Angebot für Jaguar, möchte sich Ford ungern zuziehen, zumal der Konzern auf dem britischen Automarkt einen Anteil von 27 Prozent besitzt, der nicht durch nationalistische Gefühlswellen beeinträchtigt werden soll.

Allerdings ist Jaguar mit seinen 50.000 im letzten Jahr weltweit verkauften Nobelkarossen, deren Image noch über dem von Mercedes und BMW liegt, nirgendwo ein bedeutender Marktfaktor. Die neue Fusionswelle, die die kleineren europäischen Hersteller betrifft, geht im wesentlichen vom US-amerikanischen Markt aus. Das Interesse Fords an Jaguar und das Interesse Jaguars an einer Verbindung mit einem anderen Autohersteller, möglichst in den USA, entspringt einer dreifachen Krise auf dem größten Automarkt der Welt.

Zum einen hat die Autokonjunktur in den USA mittlerweile einen Einbruch zu verzeichnen, und die Detroiter Firmen lassen nichts unversucht, auch kleine Marktlücken gegen die in- und ausländische Konkurrenz zu besetzen. Zum zweiten haben die japanischen Firmen Toyota und Nissan gerade ihre eigenen Top-Modelle „Lexus LS“ und „Infini Q45“ auf den US -Markt gebracht - in der 40.000-Dollar-Preisklasse, für die die einheimischen Cadillacs von General Motors und die Lincolns von Ford einfach zu billig sind - da muß am besten gleich eine neue Marke her, und da paßt es hervorragend, daß Jaguar gerade eine „Billig„-Version des „XJ6“ in exakt dieser Preisklasse angekündigt hat.

Schließlich wurde der Verkauf des in der BRD gebauten „Scorpio“ in den USA unter dem Namen „Merkur“ ein Flop. Auch mit dem winzigen Output des Sportwagenherstellers AC, zu 51 Prozent bei Ford, ist unter quantitativen Gesichtspunkten nicht viel anzufangen, ebensowenig mit Aston Martin Lagonda, seit 1987 zu 75 Prozent bei Ford: Beide Unternehmen verkaufen im Jahr so viele Autos, wie in ein mittleres Parkhaus in Manhattan passen.

Die dritte Krise auf dem US-Automarkt: Fast alle westeuropäischen Nobelauto-Exporteure sind durch den gestiegenen Dollarkurs schwer ins Schleudern geraten deshalb auch das „Downgrading“ der Jaguar-Palette. Wer nicht gerade einen profitablen Konzern im Rücken hat und nur begrenzt auf das Exportgeschäft angewiesen ist, steht mit dem Rücken zur Wand. Jaguar erzielt 43 Prozent seines Umsatzes in den USA. Saab, ebenfalls auf der Einkaufsliste von Ford, setzte 1986 noch 47.000 Autos in den USA ab, rund ein Drittel der Produktion. Zwei Jahre später waren es nur noch 38.000, und in den ersten sieben Monaten dieses Jahres waren es erst 20.000 Autos, 13 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Daimler-Benz stürzte 1988 gegenüber dem Vorjahr um 17 Prozent ab, Audi um 22 und Porsche gar um 56 Prozent. Nur BMW meldete ein Plus von zwei Prozent für 1988.

Die Tendenz hat sich ähnlich drastisch wie bei Saab auch in diesem Jahr bei fast allen Luxusschlitten-Anbietern aus West - und Nordeuropa fortgesetzt. Bei Saab ist die Situation allerdings besonders schwierig. Das schwedische Unternehmen hatte schon das letzte Modell, den „9000“, nur noch mit der Hilfe von Fiat und von Alfa Romeo, damals noch selbständig, entwickeln können, und zur Absatzkrise in den USA kommt jetzt auch noch die Eröffnung einer neuen Fabrik hinzu. Der Absatz muß also her - und wer sich da keine Unterstützung durch ein ausgebautes Händlernetz verschaffen kann, hat auch in Zukunft überaus schlechte Karten, wenn er klein ist.

Klein, aber bekannt - der Kauf von Markennamen hat schon seit ein paar Jahren rapide zugenommen, seit Neuplazierungen auf dem Markt immer teurer geworden sind. Und in Großbritannien gab es da bis vor kurzem noch einiges zu holen. Auch wenn VW, Volvo und Citroen in den letzten Monaten als Interessenten gehandelt wurden - den Run auf das Oberhaus der westeuropäischen Autoproduktion hat jetzt Ford eröffnet. Am Mittwoch kündigte der Riese aus Detroit an, einen Anteil von 15 Prozent an Jaguar erwerben zu wollen eine spätere Aufstockung nicht ausgeschlossen. Wiederum wollen Gerüchte wissen, daß Ford damit seinen beiden US -Konkurrenten General Motors und Chrysler unmittelbar zuvorgekommen ist. Jedenfalls war der Zeitpunkt für die Veröffentlichung der Kaufabsicht geschickt gewählt: Nur einen Tag zuvor hatte Jaguar bekanntgegeben, daß der Gewinn des ersten Halbjahres '89 auf 1,4 Millionen Pfund, rund 4,4 Millionen Mark, zusammengeschrumpft ist, während er im Vorjahreszeitraum noch bei 22,5 Millionen Pfund, rund 70 Millionen Mark, gelegen hatte. Zum Vergleich: Der weltweite Ford-Gewinn belief sich 1988 auf 5,3 Milliarden Dollar. Noch deutlicher wird die Kaufmacht Fords bei einem Vergleich der Umsätze: Während es Jaguar auf rund 3 Milliarden Mark bringt, ist Ford für 180 Milliarden Mark gut.

Billiger wird der Kauf der Jaguar-Aktien für Ford durch den geschmolzenen Gewinn allerdings nicht. Zum einen ist der Kurs durch die langanhaltenden Spekulationen über eine Beteiligung von außen ohnehin hochgetrieben, zum anderen unterliegt Ford einer US-Bestimmung, nach der in den ersten 30 Tagen nach Bekanntgabe der Kaufabsicht nur ein Prozent der Anteilspapiere aufgekauft werden kann. Zwar macht Ford für sich geltend, jetzt mit dem Angebot als Nummer eins der Jaguar-Interessenten zu gelten, aber völlig ungewiß ist derzeit, ob nicht andere, vor allem europäische Autokonzerne die Gunst der Stunde nutzen und ebenfalls bei Jaguar mitbieten werden. Europäische und japanische Firmen sind jedenfalls nicht an die 30-Tages-Frist gebunden.

Ohnehin stehen noch einige weitere Verzögerungen ins Haus. Nach den Bedingungen, unter denen Jaguar vor fünf Jahren privatisiert wurde, darf ein einzelner Anteilseigner nicht mehr als 15 Prozent der Aktien besitzen. Und die Regierung ist im Besitz einer „goldenen Aktie“, die noch bis Ende 1990 gültig ist und ihr ein Vetorecht zur Abwehr von Interessenten einräumt - vorsichtiges Taktieren ist da angesagt. Und da der Europa-Chef von Ford, Lindsey Halstead, das Kaufangebot recht rüde aus den laufenden Verhandlungen heraus lancierte, reagierten die Jaguar-Manager kühl. Sie bezeichneten das Angebot als „unwillkommen“. Und das ist recht unangenehm für die Ford-Leute. Schließlich wird nur dem Konzern eine echte Chance eingeräumt, der nicht nur verspricht, Jaguar selbständig zu halten, sondern die „freundliche Übernahme“ auch während des Verfahrens selbst betreibt.

Kooperationen, wechselseitige Kapitalbeteiligungen und Lieferbeziehungen verbinden schon jetzt alle großen und kleinen Autohersteller in Westeuropa, den USA, Japan und Südkorea. Das kann zu absurden Entwicklungen führen. Im ersten Halbjahr '89 fielen etwa die Verkäufe einiger Autotypen in den USA besonders dramatisch: Die Verkäufe des „Dodge Colt“ von Chrysler sanken um 31 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 1988, und zwei Modelle aus der „Geo„-Familie von General Motors verkauften sich um 22 bzw. 37 Prozent schlechter. Verwundert nahmen allerdings die Auto-Analysten zur Kenntnis, daß sich Verkäufe der genau baugleichen Modelle von Mitsubishi (der „Mirage“ entspricht dem „Colt“), Isuzu (der „I-Mark“ entspricht dem „Geo Spectrum“) und Toyota (der „Corolla“ entspricht dem „Geo Prizm“ bzw. dem „Chevy Nova“) ganz anders entwickelten: Der „Mirage“ legte um 54 Prozent zu, der „Corolla“ um 28 Prozent, und der „I -Mark“ nahm immerhin nur um 7 Prozent ab.

Der Grund: Das Vertrauen in japanische oder südkoreanische Modelle scheint weiterhin wesentlich höher zu sein als das in US-amerikanische. Stellt sich nun die Frage, ob Jaguar in der Lage ist, sich wenigstens in der Oberklasse gegen die Konkurrenz aus Fernost durchzusetzen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen