Deutsche Renten

■ Zwei Millionen AussiedlerInnen sind ein 100- Milliarden-Konjunkturprogramm

Mit der Studie über die wirtschaftliche Bedeutung der Aus und Übersiedler, die das Institut der deutsche Wirtschaft jetzt veröffentlicht hat, ist ein interessanter Beitrag zur Ökonomie der Menschenrechte abgeliefert worden. Die Westwanderer sichern unsere Renten, machen den Arbeitsmarkt flexibler und fördern damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit der BRD, sorgen für Steuermehreinnahmen und Wirtschaftswachstum. Zwei Millionen AussiedlerInnen sind gar für ein Konjunkturprogramm von 100 Milliarden Mark gut, haben die WissenschaftlerInnen errechnet. Aus dem wirtschaftlichen Blickwinkel kann also kaum ernsthaft gegen den Zustrom aus dem Osten argumentiert werden, von vorübergehenden Belastungen auf dem Arbeitsmarkt und den notwendigen Wohnungsbaumaßnahmen einmal abgesehen.

Immerhin ist die Untersuchung vom Bundespresseamt in Auftrag gegeben worden, dient also der öffentlichen Debatte. Was wäre wohl geschehen, wenn die VolkswirtInnen des Kölner Instituts herausgefunden hätten, daß die Volksdeutschen aus der UdSSR, aus Ungarn und Polen oder gar aus der DDR mehr Kosten als Nutzen verursachen würden? Wäre das Ergebnis nicht abzusehen gewesen, die Studie wäre nie über das Planungssstadium hinausgekommen. Denn das Papier wäre damit ökonomisch der Ideologie der bundesdeutschen Konservativen in die Quere gekommen, nach der die eigentliche Heimat aller Blutsdeutschen die Bundesrepublik ist.

Schlimmer noch: Ein solches Resultat wäre wohl auch auf die Flüchtlinge aus der DDR angewendet worden, die jetzt in der Untersuchung noch nicht berücksichtigt sind. Es hätte eine schwere Beeinträchtigung der riesigen ideologischen Anstrengung der letzten Wochen bedeuten können, die zur Folge gehabt hat, daß auch jetzt die Flüchtlinge immer noch eher als wiedergefundene Brüder und Schwestern und weniger als KonkurrentInnen um Wohnungen und Arbeitsplätze betrachtet werden. Damit ist der bundesdeutsche Haßneid auf die ÜbersiedlerInnen aus der DDR in Grenzen gehalten worden

-übrigens anders als auf die sehr viel undramatischer und damit schlechter verwertbar Ausgereisten aus den Ostgebieten.

Appelle aus Bonn, das Menschenrecht auf Reise- und Niederlassungsfreiheit zu gewähren, sind in der BRD nur dann mehrheitsfähig, wenn unter dem Strich schwarze Zahlen stehen. Umso schlagkräftiger sind solche Appelle, wenn sie auch noch die Rechte von Auslandsdeutschen stärken und den Ostblock schwächen. Ergibt sich nur eine Frage: Wenn bis zum Jahr 2000 anstelle der kalkulierten zwei Millionen AussiedlerInnen nur eine Million kommt - läßt die Bundesregierung dann wieder eine Million TürkInnen anwerben? Oder lieber nicht?

Dietmar Bartz