piwik no script img

Lübecker Justiz recherchiert in London

■ Waffen-SS-Offizier Mohnke soll 80 britische Gefangene ermordet haben

Berlin (taz) - Die Lübecker Justiz wird in der kommenden Woche einen Staatsanwalt nach London schicken, um im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Wilhelm Mohnke Archivmaterial zu sichten. Dem ehemaligen Offizier der Waffen-SS wird vorgeworfen, an der Erschießung von rund 80 britischen Kriegsgefangenen am 28. Mai 1940 beteiligt gewesen zu sein. In jenen Tagen waren 340.000 britische, französische und belgische Soldaten bei Dünkirchen über den Kanal nach Großbritannien evakuiert worden. Mohnke soll die Ermordung der 80 Soldaten in einer Scheune bei Wormhoudt in Nordfrankreich angeordnet haben.

Der heute bei Hamburg lebende 78jährige Geschäftsmann wurde bei Kriegsende in Berlin von sowjetischen Soldaten festgenommen und verbrachte zehn Jahre in einem Kriegsgefangenenlager in der UdSSR. Bereits anfang der 70er Jahre befaßte sich die Ludwigsburger Zentrale Stelle zur Aufklärung von NS-Verbrechen mit dem Fall Mohnke und gab diesen schließlich an die Lübecker Staatsanwaltschaft ab. Dort wurde ein Verfahren gegen den ehemaligen Offizier der Waffen-SS eröffnet, doch die Vorwürfe von Überlebenden des Massakers ließen sich angeblich nicht erhärten. Jedenfalls wurde das Verfahren 1976 mangels Beweisen eingestellt. Erst aufgrund von Unterlagen britischer Journalisten seien die Ermittlungen im Frühjahr 1988 wieder aufgenommen worden, gab der Lübecker Oberstaatsanwalt Joachim Böttcher auf Anfrage bekannt.

Vier britische Soldaten, die das Massaker von Wormhoudt überlebt hatten, trafen sich am Donnerstag aus Anlaß einer Buchveröffentlichung vor dem britischen Unterhaus, um ein Gerichtsverfahren gegen Mohnke zu fordern. Sayer und Botting, die beiden Autoren von Hitlers letzter General, beschuldigen Mohnke, der bis zuletzt der Leibgarde des Diktators angehörte, auch für weitere Massaker verantwortlich zu sein, denen kanadische und US-Soldaten sowie belgische Zivilisten zum Opfer fielen.

thos

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen