EDVmann: „Oh, oh - da sind aber viele Lücken!“

■ Über EDV-Weiterbildungskurse: teuer, schlecht, einseitig und frauenfeindlich / Hannelore Faulstich-Wieland referierte Forschungsergebnisse

Nach dem Referat war die lebhafte Debatte kaum noch zu bremsen und trotz weit überzogener Zeit auch kaum abzubrechen. Über 300 Computerspezialistinnen, Ausbilderinnen, Systemprogrammiererinnen drängten sich in der Universität auf der Fachtagung „Frauenwelt Computerräume“ am Freitag nachmittag auf den Plätzen, auf zusätzlichen Stühlen, auf dem Boden. Es ging in diesem Saal um Aus-und Weiterbildung im Fach Informatik.

„Wenn ich mit meinem mehr ganzheitlichen Ansatz und meinem 'Zauberkasten‘ in den Kurs komme“, erzählte eine Münchner Mathematikerin und VHS-Kursleiterin, „ist in Frauenkursen die Begeisterung groß; in gemischten muß ich mich auf massive Störung durch Männer gefaßt machen. Die meiste Aufmerksamkeit geht an sie, um sie unter Kontrolle zu halten.“ Daß sogar in den wenigen Kursen, wo Frauen knapp oder gar deutlich überrepräsentiert sind, „Männer immer 80 Prozent der Redezeit“ beanspruchen, berichtete auch die Hamburger Dozentin Ingrid Ellebrecht, die gerade eine sechsmonatige Versuchsreihe mit einem Frauenkurs und einer gemischten Kontrollgruppe durchführt. Einig waren sich fast alle Fachfrauen aus ihrer Praxis: Während die männlichen Teilnehmer ein eher mechanisches

Lernverfahren akzeptieren und geradezu erwarten, bei dem die Reihenfolge der Tastendrückerei besinnungslos durchexerziert wird, gehen Frauen ans Grundsätzliche: Warum muß man 'sichern‘? Was passiert beim 'Laden‘ genau? „Mit ihrer Trial -and-error-Methode haben in den paar Kurstagen die Männer natürlich mehr Effizienz, wer aber ein System grundsätzlich versteht, hat es später doch an verschiedenen Programmen viel leichter“, erklärte Marianne Munzel von der Berliner Techteachers-Gruppe.

So viel Kompetenz, so viel Professionalität saß zusammen! Und weil es eine Frauentagung war, passierten auch nette Klei

nigkeiten: „Nein, Sie hatten sich noch vor mir gemeldet“, trat eine zurück, die gerade aufgerufen war, und ergriff bereitwillig das Wort erst nach der Kollegin.

Elf Informatik-Weiterbildungskurse von kommerziellen oder frauen-bzw. arbeitnehmer

orientierten Trägern hatte die Referentin Hannelore Faulstich-Wieland, Dozentin in Frankfurt, selbst getestet. Über ihre Erfahrungen und aus Forschungsergebnissen und Studien faßte sie in ihrem Referat zusammen: Kurse sind mit 100 bis 200 Mark pro Tag teuer. Termine stehen oft bis zum letzten Tag nicht verbindlich fest; wenn sie - etwa bei öffentlichen Trägern - lange ausgewiesen

sind, sind die Kurse sofort belegt. Für Frauen, die ihren Kurs mit Kinderbetreuung, Urlaubsplanung, Fahrgelegenheiten langfristig planen müssen, ist beides ein erhebliches Handicap. Die Bilanz für die kommerziellen Anbieter von Informatik-Kursen fiel denkbar schlecht aus. Alle besuchten „gemischten“ Kurse hatten nur männliche Dozenten - und zwar EDV-Spezialisten und pädagogisch Ahnungslose. Vorstellungsrunden der TeilnehmerInnen wurden nicht organisiert. So wurde „D-Base III“ am Beispiel Rechnungserstellung durchgenommen, obwohl nicht eine einzige TeilnehmerIn aus dem Bürobereich kam. Auch in ausgewiesenen „Einführungsveranstaltungen“ gab es keinen systematischen Überblick, sondern eher eine Einkaufshilfe mit Fachsimpelei. Daß Frauen nach drei Tagen sagen „Ich habe kein Wort verstanden“, war keine Ausnahme. Natürlich kommen auch Männer oft nicht mit. Sie sind aber auf die Woge eines selbstverständlichen Kompetenzbonus gebettet - „eine Frau muß zuerst massiv nachweisen, daß sie Ahnung hat“, so Faulstich-Wieland. Bei einer ihrer Nachfragen in einem Einführungskurs kommentierte der Kursleiter: „Oh, oh da sind aber Lücken!“ Unsichere machen sowas nicht oft mit. Lehrmethode: Frontalunterricht und anweisungsgebundene Praxis an Geräten, also abarbeiten von Bedienungsschritten, deren Funktion und Zusammenhang im dunkeln bleibt. Weil solche Seminare teuer sind, schicken Firmen Führungskräfte, die ihr Halbverdautes im Schneeballsystem an die Belegschaft weitergeben sollen. Frauen sind praktisch kaum einbezogen.

Die Betriebsprogrammiererin eines Chemie-Konzerns bestätigte aus dem Publikum: „Den Anwenderinnen zwischen 30 und 50 Jahren fehlt jeder Überblick;

sie sind schwer zu motivieren und haben zum Beispiel Angst, daß beim Diskettenkopieren die Daten verschwinden. Dann ist natürlich die Bereitschaft zu lernen und Verantwortung zu übernehmen, gering.“

Etwas bessere Noten von Faulstich-Wieland bekamen die Kurse von VHS oder gewerkschaftsorientierten Einrichtungen, vielfach von und für Frauen, die zumindest den Anspruch auf Teilnehmerorientierung haben. In den oft als „kritisch“ ausgewiesenen Seminaren unterrichten So

zialwissenschaftlerInnen, die sich EDV zusätzlich angeeignet haben. Überblick und kritische Reflexion und Fertigkeiten zu vermitteln, wird aber praktisch nur wenig erreicht, und es fehlt fast völlig an Frauenseminaren für Fortgeschrittene: „Eine große Deckungslücke und eine große Chance!“ Vorstellungsrunden und Lernmaterial sind dort immerhin selbstverständlich. Eine Berliner Kursleiterin faßte zusammen: „Dozentinnen werden immer beliebter, auch bei den Männern.“ Susanne Paa