Colonia Dignidad-betr.: "Teilsieg für Colonia Dignidad", taz vom 11.9.89

betr.: „Teilsieg für Colonia Dignidad“, taz vom 11.9.89

Mit Bestürzung haben wir das Urteil des Obersten chilenischen Gerichtshofes aufgenommen. Stellt doch dieses Urteil der Lagerleitung einen „Persilschein“ in bezug auf Menschenrechtsverletzungen aus. Die Anschuldigungen der Bundesregierung, von amnesty international und der hier lebenden Verwandten wurden schlichtweg ignoriert.

Anschuldigungen in bezug auf Menschenrechtsverletzungen in der Colonia Dignidad gibt es genug, sie gehen bis ins Jahr der Übersiedlung 1962 zurück und werden nicht nur von amnesty international, sondern auch von den Vereinten Nationen vorgeworfen.

So fragen wir uns, wie ein Untersuchungsrichter innerhalb von nur wenigen Monaten die Untersuchung abschließen und ein Urteil vom Obersten Gerichtshof gefällt werden kann? Warum wurde der Untersuchungsrichter Guillermo Navas durch den Untersuchungsrichter Robert Arias abgelöst? Hat Herr Guillermo Navas vielleicht seine Aufgaben zu gewissenhaft durchgeführt? Oder fühlt sich die Regierung durch die Wahlen im Dezember dieses Jahres unter Druck gesetzt, da durch eine eventuelle Demokratisierung Chiles das Urteils anders ausfallen würde?

In einem Land wie Chile, in dem die Macht auf Befehl und Gehorsam beruht, muß die Unabhängigkeit des Gerichts angezweifelt werden. Es ist erwiesen, daß in dem Lager Oppositionelle nach dem Militärputsch von 1973 gefoltert wurden. Auch heute gehen noch verschiedene Generäle, die am Putsch beteiligt waren, in der Colonia Dignidad ein und aus. Die Lagerleitung hat noch heute Kontakte bis zur höchsten Regierungsebene.

Aus diesem Grunde unterhält der Lagerarzt Hopp als „Außenminister der Kolonie“ auch wohl sein eigenes Büro im Regierungsgebäude. Man muß sich schon die Frage stellen, inwiefern die jetzige Regierung die eigenen Menschenrechtsverletzungen vertuschen will. Da steht sowohl die Lagerleitung der Colonia Dignidad als auch die chilenische Regierung am Pranger. Die Aufdeckung der Menschenrechtsverletzungen der Kolonie würde zwangsläufig die Menschenrechtsverletzungen der chilenischen Regierung nach sich ziehen.

Wir unterstützen die Bundesregierung in ihrer Vorgehensweise und fordern sie zu noch drastischeren Maßnahmen und Handlungen auf, auch wenn die deutsch -chilenische Beziehung darunter leidet. Eine Regierung, die Menschenrechtsverletzungen ignoriert und nicht ahndet, ist genauso zu ächten, wie diejenigen, die sie ausüben, wie in diesem Fall die Lagerleitung der Colonia Dignidad.

Not- und Interessengemeinschaft für die Geschädigten der Colonia Dignidad