Nachwuchssorgen-betr.: "BUND: Weniger Kinder", taz vom 4.9.89

betr.: „BUND: Weniger Kinder“, taz vom 4.9.89

Fast recht hat er, der Herr Weinzierl, wenn er in einem weltweiten langsamen Bevölkerungsrückgang die einzige (?) Chance für Natur und Umwelt sieht. Daß er hierbei aber nur die anderen im Kopf hat, zeigt sich an seiner Äußerung, daß Entwicklungshilfe mit Projekten der Geburtenkontrolle zu verknüpfen seien.

Belasten nicht die Menschen der nördlichen Hemisphere die Umwelt weit mehr, als die Menschen der südlichen Hemisphere? Wäre es da nicht konsequenter, zuerst einmal hier in den Industriestaaten anzufangen, für einen Bevölkerungsrückgang zu plädieren? (...)

Berhard Clasen, Mönchengladbach 1

Die Kritik an der Berichterstattung über die BUND-Position zum Bevölkerungsrückgang ist berechtigt, die Kritik am BUND allerdings nicht.

Unsere Pressemitteilung war von den Agenturen sehr verkürzt wiedergegeben worden, so daß ein verzerrtes Bild entstanden ist. Die vollständige Erklärung des BUND vom 2.9. zu dieser Thematik lautet folgendermaßen:

Nullwachstum der Menschheit - Chance für Mensch und Natur BUND formuliert seine Positionen zur Bevölkerungsentwicklung

Einen langsamen Bevölkerungsrückgang hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) als Chance für Natur und Umwelt und für ein menschenwürdiges Leben in allen Ländern bezeichnet. Bei einem Seminar „Bevölkerungsentwicklung und natürliche Ressourcen“, das noch bis Sonntag in Bonn stattfindet, nannte der BUND -Vorsitzende Hubert Weinzierl das Bevölkerungswachstum als zentrales umweltpolitsches Problem und plädierte dafür, die Entwicklungshilfe mit Projekten der Geburtenkontrolle zu verknüpfen.

Er wandte sich jedoch entschieden dagegen, den Ländern der Dritten Welt gute Ratschläge zu geben und im eigenen Land den Geburtenrückgang zu beklagen. „Als Naturschützer halte ich das Gerede von den aussterbenden Deutschen und Europäern für reine Panikmache. Die immer wieder hochgespielten Parolen von den nicht mehr bezahlbaren Renten sind ja längst als falsch entlarvt worden. Wir, die hochzivilisierten Länder, voran die Bundesrepublik Deutschland, haben doch die Überbevölkerung längst hinter uns und können eine so hohe Menschendichte nur durch Wohlstandsimporte auf dem derzeitigen Level halten.“

Eine Rechnung sei schon jetzt unstrittig: „Wenn jeder Bewohner dieser einzigen Erde genauso viel an Rohstoffen und Energie verbrauchen würde, wie wir - und wer möchte ihm dieses Wachstumsziel nicht zubilligen - dann wäre unser Globus in Kürze leergefressen.“

Schwere Vorwürfe richtete Weinzierl in diesem Zusammenhang gegen die Kirche: „In tiefer Enttäuschung monieren wir Naturschützer die Haltung einiger Religionen, vor allem der Katholischen Amtskirche, die ihre Schöpfungsverantwortung nicht wahrnimmt und durch ihre antiquierte Haltung zur Geburtenkontrolle menschliches Elend fördert.“

Die Verantwortung für eine lebenswerte Zukunft bei einem Nullwachstum der Menschheit wies der BUND-Vorsitzende der Bevölkerung in den Industriestaaten zu. Als Hauptschuldige an der Umweltmisere müßte sie, anstatt anderen gute Lehren zu erteilen, „unseren überzogenen Wohlstand freiwillig zurückschrauben, bevor wir durch weltweite Verteilungskämpfe gewaltsam dazu gezwungen werden.“

BUND, Bonn 3