Die Schummellösung: Polenmarkt kehrt zurück

■ (In-)Offizielle Begründung: Schadensbegrenzung / Polizei will weiterhin beobachten / Jetzt wird dafür der Mendelssohn-Bartholdy-Park eingezäunt

Wäre es nicht ein so ernstes Thema, man sollte es glossieren: Der Polenmarkt, durch Aufbau und Abriß von einem halben Dutzend Zäune durch die Stadt gejagt, kann wieder auf das Gelände neben dem Krempelmarkt am Reichpietschufer zurück. Alle Bemühungen von Senat und Polizei, den polnischen Handel zu zertreuen und damit zu verhindern, sind gescheitert. Jetzt folgte der Bezirk Tiergarten der Bitte des Senats, den Zaun, der um das Grundstück neben dem Krempelmarkt gezogen worden war, abzubauen. Gleichzeitig will der Bezirk Kreuzberg den Mendelssohn-Bartholdy-Park, auf den sich der größte Teil des Handels inzwischen verlagert hat, einfrieden. Man hofft, daß sich die Polen dann wieder am Reichpietschufer ansiedeln.

Wie aus Senatskreisen gestern verlautete, bedeutet dies allerdings keine Legalisierung des Marktes. Daß dies rechtlich nicht möglich sei, wurde nämlich in der Vergangenheit immer als Argument angeführt. Auf der heutigen Sitzung wird der Senat also nur die Lage beraten und „zur Kenntnis“ nehmen. Bei der Rückverlagerung des Marktes gehe es nur darum, den Schaden zu begrenzen und den Markt dorthin zurückzuleiten, wo die Störungen am geringsten gewesen seien, nämlich neben dem Krempelmarkt. Die BVG sei angewiesen, bei Bedarf dort Müllcontainer und Sanitärwagen aufzustellen.

Die Polizei will den Markt weiterhin beobachten und gegen den illegalen Handel vorgehen. Wie allerdings gestern von seiten der Polizei verlautete, soll dies in Zukunft differenziert geschehen. Verfolgt werden soll nur der gewerbliche Handel. Gegen Polen, die ihre persönlichen Habseligkeiten verkaufen, soll nicht vorgegangen werden. Offenbar ist die Polizei bei ihren Bemühungen, die polnischen Händler ihrer Straftaten zu überführen, die sie nach alliierter Anordnung und Ausländerrecht begehen, mit ihrem Latein am Ende. Außerdem scheint es selbst den Beamten, die laut Gesetz gar nicht anders können, absurd, den Verkauf von armseligen Dingen als Straftaten zu betrachen. Zwischen 20 und 90 Beamte hat die Polizei täglich im Einsatz, doch das Ergebnis ist gleich null. Denn selbst Beamte in Zivil sind schon nach kurzer Zeit marktbekannt, und es fehlt meist an Beweisen. Die Zahl der Anzeigen wegen unerlaubten Handels sei äußerst gering und hat aus Polizeisicht keine Prävention zur Folge. Nur Großeinsätze könnten anhaltend etwas bewirken, doch die seien, so sieht man es bei der Polizei, im Verhältnis zu Art und Umfang der begangenen Straftat nicht angemessen. Ausweisungen wird es aber weiterhin geben. Die Einreiseverbote bleiben auf ein Jahr befristet.

Wie die Bundesregierung die Aus- und Übersiedler, so versucht der Senat nun den Berlinern die Polen mit wirtschaftlichen Argumenten schmackhaft zu machen. Warenhäuser und Elektrogeschäfte hätten steigende Umsätze zu vermelden, hieß es - und auch die Gebrauchtwagenhändler hätten solide Umsätze in Richtung Polen. Außerdem müsse bedacht werden, daß in Polen etwa neun Milliarden Mark Sparvermögen auf Bankkonten liegen. Mutige Interpreten gehen gar so weit, Pommern und die Neumark als das immer vermißte Hinterland von West-Berlin zu bezeichnen, und hören bereits die Kassen klingeln. Etwa 25 Prozent der Polen, schätzen Experten, seien in diesem Winter vom Hunger bedroht.

bf