Grundversorgung der Gefühlswelt

■ ZDF-Vorabendprogramm wird immer seichter

Mehr fürs Herz, so lautet die Devise des ZDF für die neuen Serien im Vorabendprogramm. Josef Göhlen, verantwortlich für das Programm zwischen 17 und 20 Uhr, gab auf einer Pressekonferenz die Programmphilosophie bekannt: „Das Triviale muß wieder zu Ehren kommen, das Menschliche Allzumenschliche. Wir wollen die Leute anmenscheln.“ Was darunter zu verstehen ist, läßt sich bereits seit längerem im Programm der Mainzer feststellen. Plots wie Der Landarzt und Das Forsthaus haben uns schon das Fürchten gelehrt. Nun scheint sich auch das neue deutsche Biedermeier noch weiter auszubreiten. Serientitel wie Hotel Paradies oder Zwei Münchner in Hamburg versprechen da nichts Gutes. Bedrohlich muß, angesichts des Oggersheimer Niveaus bundesdeutschen Fernsehhumors, die Ankündigung einer „deutschen Situationskomödie“ mit dem Titel Alle meine Babies wirken. Doch auch der Alltag soll, so Göhlen, nicht zu kurz kommen. Man wolle sich auf mehr Realistik (was immer das auch heißen soll) besinnen. Aber nicht mit so einem „Grauschleier“, wie in den Programmen der siebziger Jahre. Also brauchen sich die konservativen Politkommissare in den Rundfunkgremien keine Sorgen vor zu viel bundesdeutscher Realität wie Arbeitslosigkeit oder Ausländerhaß im Programm zu machen.

Die Konkurrenzsituation zu den Privatsender, die am frühen Abend mit US-Action-Serien und debilen Gewinnspielen um Einschaltquoten und damit Werbeeinnahmen mit ARD und ZDF konkurrieren, bestimmt seit einiger Zeit die Programmpolitik der Öffentlich-Rechtlichen. Die Werbeindustrie ist ohnehin unzufrieden mit den langen Werbeblöcken, die die Aufmerksamkeit der Zuschauer sinken läßt. Sie will ein Programmumfeld, das spezielle Zielgruppen an den Fernseher lockt und somit den Kauf von Werbezeit interessanter macht. Deshalb veränderte die ARD bereits im letzten Jahr das Vorabendprogramm der Landessender. Der Montag wurde für Kriminalfilme reserviert, und mittwochs werden Serien für die ganze Familie gezeigt. So weiß die Industrie, wann sich Werbung für schnelle Autos oder Waschmittel lohnt. Die Teilung einer Serienfolge zum Beispiel ermöglichte die Verkürzung der Werbeblöcke. Gleichzeitig wurde die Regionalberichterstattung in die dritten Fernsehprogramme abgeschoben.

Zwar erwirtschaftet der Mainzer Sender in diesem Jahr 650 Millionen. Da man aber mit einem Verlust von einer Million Zuschauern rechnet gegenüber dem Jahr 1988, müßte man sich etwas einfallen lassen. Während der Kulturetat zusammengestrichen wurde, gibt man für die Vorabendprogramme 37 Millionen Mark mehr aus. Die Programmmacher versuchen dabei mit eigenproduzierten Serien auf die Ergebnisse der Programmforschung zu reagieren. Das Bedürfnis nach Identifikation mit den SerienheldInnen und der Wunsch, die gezeigte Lebenswelt zu verstehen, führt zur Vorliebe deutscher Produktionen. Ein weiterer positiver Nebenaspekt der verstärkten Eigenproduktion ist, daß sich das ZDF damit etwas mehr Unabhängigkeit gegenüber seinem skandalumwitterten Programmlieferanten Leo Kirch verschafft.

Auch von den Kommerziellen will man in Mainz lernen. Dort kann man nämlich täglich mit den Westerngreisen von Bonanza über die Panderosa reiten. Eine zwölfteilige italienische Frauenserie Julia soll es beim ZDF sein. Göhlen will damit „das Publikum noch stärker fürs Vorabendprogramm interessieren“. Trotz einiger guter Produktionen im Vorabendprogramm der Öffentlich-Rechtlichen geht der Trend allein zur leichten Unterhaltung. Wurde früher auch in Krimi -Serien wie etwa Soko 5113 versucht, gesellschaftliche Probleme in die Stories zu integrieren (dies können Kabelteilneher derzeit bei der Wiederholung in 3 SAT feststellen), reduziert sich das heute auf den einfachen Plot. Das Vorabendprogramm paßt sich somit immer stärker dem der Kommerziellen und den Interessen der Werbeindustrie an, die ein werbeförderndes Programmumfeld mit positiven Stories will.

res