: Medien und Frauen-betr.: "Frauenhändler vor Gericht", taz vom 14.9.89
betr.: „Frauenhändler vor Gericht“, taz vom 14.9.89
(...) Was ist eigentlich aus den Konsequenzen und Forderungen des taz-Frauenstreiks vor eineinhalb Jahren und der damals geplanten taz-internen Sexismus-AG geworden? Diese Frage hängt eng zusammen mit meiner Kritik.
1. Offenbar macht Ihr Euch keine Gedanken über die Fotos, die Ihr Euren Artikeln beifügt. Ich dachte ehrlich, daß die taz im Gegensatz zu den meisten anderen Medien auf reißerische Bilder mit nackten Frauen verzichten könnte, auf denen bezeichnenderweise nur die männlichen Sextouristen, nicht aber die Frauen mit schwarzen Balken rücksichtsvoll anonymisiert werden.
2. Auch in der Wortwahl Gunhild Schöllers läßt sich eine unreflektierte Übernahme gängiger Klischees bezogen auf asiatische Frauen erkennen - so, wenn sie eine thailändische Zeugin als „sehr klein, zierlich und scheu“ beschreibt. Wozu ist das denn wichtig? Außerdem sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben, daß das Reproduzieren solcher Klischees eine Solidarisierung von deutschen mit ausländischen Frauen auf der Basis von gegenseitigem Ernstnehmen erschwert und behindert.
3. Ebenso sinnlos und überflüssig sind die ständigen Beschreibungen des richterlichen Verhaltens als „verlegen“, „einfühlsam“ etc. Statt den Platz dafür zu verschwenden, wäre es sinnvoller gewesen, über Hintergründe aufzuklären, den Nutzen und die Effektivität dieser Art von Prozessen zu analysieren und zum Beispiel aufzuschlüsseln, wo überall Mängel und Verbesserungsmöglichkeiten im Umgang der Justiz mit „betroffenen“ Frauen bestehen. Die im nächsten Punkt genannten Frauenprojekte hätten - wären ihre Erfahrungen von Interesse gewesen - genügend Kenntnisse und zum Beispiel konkrete Verbesserungsvorschläge und Forderungen beisteuern können.
So blieb es bei einem oberflächlichen Bericht eines einzelnen Prozeßtages, in dem die Autorin auch kaum bewertende Einschätzungen einbringt.
4. In dem kleineren Artikel „Kaum Hilfe von Behörden“ werden mit keinem einzigen Wort die Initiativen autonomer Frauenprojekte erwähnt, die sehr wohl seit Jahren Beratung, Vermittlung von Unterkunftsmöglichkeiten, Sprachkurse und ähnliches anbieten, zum Beispiel agisra, amnesty for women, Filipi...(?) (Sorry, konnt‘ ich leider nicht entziffern. d.sin) (in Hamburg), Ban Ying, die in Berlin eine Zufluchtswohnung für ausländische Frauen eingerichtet hat, und andere. Damit fahrt Ihr dieselbe Strategie wie viele Medienleute und MitarbeiterInnen staatlicher und kirchlicher Institutionen, die die langjährige Arbeit dieser Frauenprojekte unterschlagen und damit unsichtbar machen.
Gesine Meerwein, Mitarbeiterin von Agisra e.V.
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