Schweif am Horizont

■ In Bremen eröffneten bei den „German Classics“ Schockemöhle und Tiriac neue Pferdspektiven

So wahr er Ion Tiriac heißt, so vollmundig sind seine Ankündigungen („Tradition heißt, an der Spitze des Fortschritts zu marschieren.“). Nun war er angetreten, Bremen zu erobern. In einem Metier, das ihn seit seinem ersten Fall vom Pferd mehr schreckt als lockt. Doch die Liaison von Geld und Pferdeverstand schien ihm lukrativ genug zu sein, um das eigene Desinteresse an den Vierbeinern hintan zu stellen.

Wider Willen zwar war er mit der Veranstaltung in den Norden gezogen, hatte dem sponsorenträchtigen Stammland im Süden das Nachsehen gegeben. Aber er kam mit Verve und dem großen Wurf, dem der sportliche Imperator seine respektheischenden Triumphzüge zu verdanken hat.

Mit den „German Classics“, die am Sonntag in der Bremer Stadthalle zu Ende gingen, haben Ion Tiriac und Partner Paul Schockemöhle dem Pferdesport eine Zukunftsdimension a la Golf und Tennis eröffnet. Zumindest was die finanzielle Seite anbelangt. Nie zuvor gab es ein so hochdotiertes Springturnier in Europa.

Allein im Einzelwettbewerb am Wochenende gab es 425.000 Mark zu gewinnen, mit 110.000 Mark mehr im Gepäck reiste der Amerikaner Greg Best als Sieger ab. Selbst der letzte im Feld der 33 ReiterInnen erhielt noch ein Antrittsgeld von 5.000 Mark.

So nimmt es nicht wunder, daß kein(e) Reiter(in) sich den persönlichen Einladungen Schockemöhles widersetzen wollte. Das Aufgebot an Stars übertraf gar die Besetzung des Olympischen Reitturniers in Seoul, war laut Kennern die „bestbesetzte Hallenveranstaltung, die es jemals auf der Welt gegeben hat.“

Ein erster Schritt, das Land der Pferdezüchter wieder auf Trab zu bringen. Schließlich, so weiß es Tiriac, „in Amerika ist man mit der Entwicklung schon über 100 Lichtjahre weiter“. Der Fortschritt, der sich hier einstellen soll, sieht dort so aus: Konzentration auf wenige große und mit hohen Preisgeldern versehene Turniere. Ein stark reduziertes Reiterfeld, denn keine Fernsehstation überträgt ein Springreiten mit fünfzig und mehr TeilnehmerInnen. Fernsehgerechte Mischung zwischen Sport und Show und eine auf die Klientel der Sponsoren abgestimmte Aufmachung der Veranstaltung.

Bremen war ein Anfang. Ein an sportlichen Qualitäten wahrlich nicht armes Turnier fand seinen Höhepunkt in einem bewegenden Abschied. Deister, Paul Schockemöhles erfolgreichstes Pferd, wurde nach 14jähriger Springlaufbahn in Pension geschickt - mit Lasershow, Flaggenparade, Haydns C-Dur Opus 36, einer Laudatio von Hans-Günter Winkler und Fritz Tiedemann und gehauchten Lebenserinnerungen von Hans -Heinrich Isenbart.

Diese rührselige Verklärung des Mythos Pferd („Deister war der beste Mensch in meinem Stall“) konkurrierte sinnfällig mit der bemühten Weltläufigkeit der finanzkräftigen Logengäste. Das traditionelle Pferdepublikum aber blieb weitgehend zu Hause. An keinem Tag war die Halle ausverkauft, bei Eintrittspreisen bis zu 100 Mark pro Tag kamen die, die sich überall sehen lassen und vom Sport wenig verstehen.

Tiriac und Schockemöhle werden dennoch schwarze Zahlen schreiben können. Die Zwei-Millionen-Mark-Veranstaltung war mit Sponsorengeldern und Fernseheinnahmen abgedeckt. Zuschauer waren willkommen, als Kulisse und athmosphärisches Moment für das Fernsehpublikum in aller Welt.

Andreas Hoetzel