Eishockey wird Stück für Stück verkauft

Am Wochenende begann die 32. Saison der Eishockey-Bundesliga: Rekordjahr für die lange kränkelnde Sportart / Jede freie Fläche wird beworben, auch die Schiedsrichter sind nicht länger tabu  ■  Von Herrn Thömmes

Berlin (taz) - Herrmann Windler, Präsident des BSC Preussen, wollte am Sonntag abend gar nicht aufhören damit, sich selbst und allen Umstehenden auf die Schulter zu klopfen. Die „gelungene Überraschung“, die den Berliner Gastronom im VIP-Raum des Eisstadions an der Jaffeestraße so fröhlich stimmte, hing derweil durchgeschwitzt im Umkleideraum der Preussen-Spieler. Gerade rechtzeitig zum ersten Heimspiel der neuen und 32. Saison der Eishockey-Bundesliga war es dem Berliner Verein als letztem der zehn Elitemannschaften gelungen, einen Hauptsponsor aufzutreiben: Auf der bislang freien Brust wirbt nun ein Computerhersteller.

Damit haben die Berliner nicht nur für die eigene finanzielle Gesundung gesorgt, sondern auch zum allgemeinen Boom im Eishockey ihren Teil beigesteuert. Denn die neue Spielrunde gerät schon vorab zu einem Rekordstück: Rund zehn Millionen Mark, viermal soviel wie in der vergangenen Saison, zahlen die Sponsoren an Werbegeldern in die Kassen der Klubs. Kommen jetzt, wie die 'FAZ‘ glaubt, „die goldenen Jahre einer Branche, die sich über Jahre nur mit finanztechnischen Drahtseilakten, erwiesenen Betrügereien, fragwürdigen Finanzierungsmodellen und einer unanständigen Steuermoral über Wasser halten konnte“?

Der hoffnungsvolle Blick in die Zukunft hat verschiedene Ursachen. In der Zuschauergunst hat sich Eishockey längst etabliert. Zu den beiden ersten Spieltagen kamen je fast 30.000, mit einem Durchschnitt von 5.000 verkauften Ticket rechnen die meisten Vereine in ihrem Etat. Die Zahlen lassen längst Vergleiche zu mit dem Fußball der zweiten Liga.

Zudem hat die Sportart endgültig ihr Image abgelegt, nachdem bayerisch radebrechende Haudegen zahnlos auf etwas archaische Weise ihre Händel austragen. Eishockey hat Einzug gehalten in die Großstädte, die Hallen sind voll, das Publikum guter Stimmung und zuweilen fanatisch, aber stets diszipliniert - Schlägereien wie in den Fußballstadien kennt die Szene nicht.

Und da das Fernsehen mittlerweile ganze Spiele live überträgt, ist der Markt interessant geworden für die Wirtschaft: Rund zwanzig Prozent der Etats werden bereits auf diese Weise finanziert. 3,45 Millionen Mark zahlte alleine der Sender SAT 1 für die Fernsehrechte an die Vereine. Eishockey, rechnet Preussen-Manager Stefan Metz vor, steht unter allen Sportarten bei der Bildschirmpräsenz mit 14.000 Sendeminuten pro Jahr heute schon an dritter Stelle, überflügelt nur von Tennis (22.000) und Fußball (18.000).

Kein Wunder, daß nun auch Werbegelder fließen. Und die Manager im Eishockey verkaufen alles, worauf sich ein Firmenschriftzug kleben läßt.

In der Berliner Eishalle beispielsweise zeigen sich nicht nur 25 Unternehmen an der Bande um die Eisfläche, etwa vierzig weitere verteilen sich auf andere einsehbare Stellen - bis hoch unters Dach. Von der Hallendecke baumeln zwei riesige Pucks, gekauft von einer örtlichen Boulevardzeitung.

Für diese Saison hat der Eishockey-Verband neue finanzielle Möglichkeiten eröffnet: Die Spielerhosen und die Bullypunkte wurden als Werbeflächen freigegeben. Eishockeyspieler sehen nun aus wie die Piloten aus dem Formel-1-Zirkus. So haben die Berliner Preussen ihrem Team, wie die meisten anderen Klubs auch, für nahezu jedes Körperteil einen Werbepartner geangelt: Helm (85.000), Ärmel (150.000), Brust (300.000 mit Zuschlag für die Play-Off-Runde), Hosen (derzeit pro Spiel verkauft).

Außer dem Hintern - in Österreich wird auch der beworben bleibt da nicht mehr viel Platz, wenn Rückennummer, Vereins und Spielername für die Zuschauer noch zu sehen sein soll.

Daß die Zeiten, als Eishockey vom Fersehen noch wegen erster auftauchender Firmenlogos boykottiert worden ist, endgültig der Geschichte angehören, belegt am besten ein anderer Fall. Seit Freitag sind nicht einmal mehr die Schiedsrichter länger tabu. Der Deutsche Eishockey-Bund hat mit einem japanischen Konzern einen Werbevertrag abgeschlossen, über dessen Höhe er sich allerdings ausschweigt.

Sobald die steuerlichen Probleme geregelt sind, bekommen auch die Pfeifenmänner - Verdienst bisher 110 und 66 (Linesmen) Mark je Spiel - ein Stück vom großen Kuchen des expandierenden Gewerbes. Werben tun sie schon eifrig. Den beiden Linesmen klebt die Schrift auf Brust, Rücken und beiden Ärmel, nur der Hauptschiedsrichter hat die Arme frei.

Das Privileg hat wohl kaum mit der Hierarchie in der pfeifenden Zunft zu tun: Die Bullys werden von den beiden Linesmen ausgeführt, und nirgendwo werden die Firmenlogos so trefflich ins Bild gerückt wie in diesen Situationen des sonst rasanten Eishockeyspiels.

Dann nämlich stehen alle still und die Kamera kann so richtig schön draufhalten.