Mehr Druck gegen widerspenstige Schuldnernationen

Teile und herrsche: Auf der Jahrestagung von IWF und Weltbank wird über Formen der Disziplinierung beraten / Auch die Bundesregierung drängt auf eine verschärfte Gangart / Die jüngsten hohen Abschreibungen der US-Banken werden als verstärkter Rückzug aus dem Lateinamerikageschäft gewertet  ■  Aus Washington Ulli Kulke

Auf eine schärfere Gangart ihrer Gläubiger dürfen sich jene Schuldnerländer gefaßt machen, die mit ihren Zahlungsverpflichtungen im Verzug sind - vor allem allerdings die, die sich unbeeindruckt zeigen von wirtschaftlichen Ratschlägen. Anders dagegen die Dritte-Welt -Staaten, die sich kooperationswillig zeigen und entsprechenden Anpassungsprogrammen unterwerfen wollen auch wenn sie noch so hoch verschuldet sind.

Für sie wird das Weltverschuldungsmanagement mehr Zugeständnisse denn je bereithalten, um sie wieder als vollwertige Mitglieder in den Kreis der Kreditnehmer in der Weltwirtschaft aufnehmen zu können. Für Lateinamerika steht die Zweidrittelgesellschaft an. Dies alles ist jedenfalls die Marschrichtung der Bundesregierung für die am Wochenende angelaufene Jahrestagung von Internationalem Währungsfonds (IWF) und Weltbank.

Dem frischgebackenen Bundesfinanzminister Theo Waigel wurden nach Washington starke Worte mit auf den Weg gegeben. Sein Haus klagt über einen „relativ harten Kern“ verschuldeter Länder, der derzeit „enorme Schwierigkeiten“ in der einschlägigen Szene mache. Nur die „Mischung aus Anreiz und Abschreckung“ dürfte dafür gesorgt haben, „daß sich die Problemfälle nicht ausweiten“. Bei kooperationsunwilligen Ländern hilft dann nach Bonner Lesart weiterhin nur eines: Drohung bis zum zwangsweisen Ausschluß aus dem IWF.

Der Hintergrund: Die Rückstände bei der Kreditrückzahlung an den IWF betragen inzwischen drei Milliarden Dollar (rund 5,6 Milliarden DM). Dreiviertel dieses Berges fallen allein auf die schwarzen Schafe der Schuldnerszene: Sambia, Sudan, Liberia und Peru. Kommt zu solch ungebilligter Zahlungsmoral auch noch ignorantes Verhalten gegenüber den gutgemeinten Ratschlägen zur Strukturanpassung, dann sollen diese Länder demnächst erst mal die kalte Schulter der Gläubigerinstitution IWF zu spüren bekommen. Auch wenn sie irgendwann reumütig zu entsprechenden Anpassungsmaßnahmen bereit wären, so würde der IWF gelassen zusehen, wie man dort plant. Gleichsam als Muster ohne Wert sollen dann erst mal „Schattenprogramme“ ohne IWF-Hilfe durchgeführt werden: „zur Bewährung“.

Warten auf Garcias Abwahl

Die Nachrichtenagentur 'afp‘ meldete zwar vergangene Woche, daß sich die Gerüchte über einen Ausschluß Perus aus dem IWF wegen übergroßer Bockbeinigkeit gegenüber seinen Gläubigern verdichteten. Daß es tatsächlich so weit kommen könnte, glaubt derzeit in Washington indes kaum ein Beobachter. Was die Regierung Garcia vor dem drohenden Rausschmiß rettet, ist augenscheinlich ihre erwartete Abwahl.

Ihre Weigerung, mit dem IWF zu kooperieren, läßt für die Zeit nach einem - bisher nie dagewesenen - Ausschluß ohnehin keine Veränderung erwarten. Und die für die Zeit nach einem Regierungswechsel angepeilte Aufnahme von Verhandlungen des IWF mit Lima würden durch einen wenn auch nur vorübergehenden Ausschluß nur erschwert. Die Bundesregierung will dem Vernehmen nach von einem Ausschluß nichts wissen. Waigel verkündet da öffentlich: „Kein Thema.“

„Freunde Vietnams“

Eine neue Qualität ist es allerdings schon, daß der Direktor des IWF, Michel Camdessus, auf einer Pressekonferenz während der Jahrestagung Roß und Reiter nennt, Peru der mangelnden internationalen Solidarität bezichtigt und gegenüber einem peruanischen Pressevertreter auch noch gleich vorrechnet, wieviel andere („weit ärmere“) lateinamerikanische Staaten angeblich mehr zahlen müßten, um die Außenstände eines Landes wie Peru auszugleichen.

Diese offene Namensnennung gehört offenbar zur härteren Gangart, zu der sich die Gläubigerseite in ihrer Zuckerbrot-und-Peitsche-Strategie entschlossen hat. Die Devise heißt nun „intensive collaborative approach„: Einzelne Länder sollen demnächst unter der Federführung eines besonderen, auch durch alte Bindungen vertrauten Gläubigerlandes speziell in die Mangel genommen werden. So denkte man beispielsweise in IWF-Tagen, daß sich Frankreich als Führer der „Gruppe der Freunde Vietnams“ auszeichnen könnte.

Mexico luminoso

Als strahlendes Beispiel steht im Gegensatz dazu einmal mehr der Musterschuldner Mexiko. Dem Land werden Mittel vom IWF zur Verfügung gestellt, mit dem es seine eigenen Schuldscheine zum Discountpreis zurückzahlt, mithin seinen Schuldenstand verringern kann. Darüber hinaus stehen auch neue Bankenkredite und Zinsverringerungen in Aussicht (siehe taz vom Freitag).

Als zweites Land haben jetzt die Philippinen mit den Banken ein ähnliches Rahmenabkommen nach dem Plan des US -Finanzministers Nicolas Brady abgeschlossen, wenn auch mit weit geringerem Ausmaß. 1,3 Milliarden Dollar sollen - so die vorläufige Planung - zum Kurs von 50 Prozent des Nennwertes von den Philippinen zurückgekauft werden. Beide Länder haben entsprechende vom IWF verlangte Anpassungsprogramme eingeleitet.

Mit Mexiko gibt es derzeit allerdings noch Meinungsverschiedenheiten in Washington: Während der IWF in Zuge des Schuldennachlasses ein Programm zum Verkauf landeseigener Unternehmen zum Sondertarif an die ausländischen Gläubiger verlangt, will die mexikanische Regierung in diesem Zusammenhang von einem solchen „Swap-to -equity-Programm“ nichts wissen. Beim Treffen der sieben wichtigsten Industrieländer („G7“) wurde dennoch für beide Länder ein Sonderkonto zum Schuldenrückkauf eingerichtet. Es wird an den IWF angegliedert und nicht beim IWF selbst installiert, wie das Direktor Michel Camdessus eigentlich vehement verfochten hatte.

In der Initiative zum Schuldenerlaß sind die öffentlichen Institutionen seit dem Vorstoß Bradys offenbar in der Rolle der Avantgarde geblieben. Die Banken sind darüber eher geteilter Meinung. So würden die gerade dieser Tage durchgeführten gigantischen Bilanzberichtigungen auf faule Kredite durch die US-Banken in Washington nicht dahingehend interpretiert, daß sie sich auf den anstehenden Schuldennachlaß mit Mexiko vorbereiteten. Vielmehr gelten sie als Hinweis darauf, daß die Geldhäuser nun endgültig aus dem Mexikogeschäft aussteigen, mithin überhaupt keine neuen Kredite mehr gewähren wollen.

(Zum Streit zwischen der Deutschen und der Commerzbank siehe oben.)