Die Generalstände des neuen Chinas

Chinas Opposition hat sich am Sonntag zur „Föderation für ein demokratisches China“ konstituiert / Ständiger Sitz der FDC wird Paris sein / Marktwirtschaft und Menschenrechte gegen die „orientalische Despotie“ der KP Chinas / Selbstkritik in der Tibetfrage  ■  Aus Paris Alexander Smoltczyk

Die Kameras drängelten sich vor dem noblen Hotel „Prince de Galles“, als würde ein Staatspräsident erwartet - nicht ganz zu Unrecht: denn unter den 14 Herren und der einen Dame, die am Sonntag nachmittag in die Führung der „Föderation für ein demokratisches China“ (FDC) gewählt wurden, verbirgt sich womöglich die Elite eines zukünftigen Chinas; aus Dissidenten werden bisweilen sehr rasch Staatsmänner.

„Dies ist ein sehr wichtiges Ereignis in der chinesischen Geschichte - der Anfang vom Ende der Einparteiendiktatur“, meinte der frischgewählte Chairman Yan Jiaqi, bis zum 4. Juni Direktor des Instituts für Politik und engster Berater des geschaßten KP-Chefs Zhao Ziyang. Tatsächlich existiert seit Sonntag mit der FDC für die in alle Winde verstreuten Dissidenten aus der Volksrepublik, ihre zahllosen Organisationen und gleichzeitig für die Inlandsreformer zum ersten Mal eine politische Plattform unter dem Zeichen der Demokratie, die Repräsentativität beanspruchen kann. Die vom Gründungskongreß, der am Wochenende in Evry bei Paris stattfand, gewählten Mitglieder des Leitungsgremiums kommen von vier Kontinenten - eine Hongkong-Chinesin, Vertreter aus den USA, Taiwan, Australien sowie Wang Won Xu aus Berlin. Eine Einheit, die ohne das Juni-Massaker unmöglich gewesen wäre.

Drei Tage hatten die 150 Teilnehmer des Kongresses gebraucht, um sich auf einen gemeinsamen Nenner zu einigen. Das am Sonntag verabschiedete „Manifest der FDC“ trägt deutlich die Handschrift von Yan Jiaqi. Chinas Regime wird darin als ein „absolutistisches“ beschrieben, in dem sich „stalinistischer Totalitarismus mit orientalischem Despotismus“ vermengten. Nach dem französischen Vorbild stehe jetzt die demokratische Revolution auf der Tagesordnung: „Menschenrechte - soziale Gerechtigkeit Marktwirtschaft - Ende des Einparteiensystems“ seien die Prinzipien des neuen Chinas.

Wie ihre Vorgänger der Französischen Revolution von 1789, auf die am Wochenende wiederholt Bezug genommen wurde, sehen die Gründer der FDC in der Liberalisierung der Wirtschaft eine Grundvoraussetzung für den Sturz der Despotie: „Die Citoyens im Namen des Staates von dem Recht auf Eigentum zu entfremden, ist eine der wichtigen Ursachen für die wirtschaftliche Stagnation und die politische Diktatur.“

Weniger einträchtig zeigten sich die Teilnehmer in den heiklen Fragen Taiwan und Tibet. Die taiwanesische Opposition setzte zum Auftakt das ebenfalls in Paris vertretene Kuomintang-Regime mit der Deng-Diktatur gleich. Die Kompromißformel des Manifests spricht nun davon, daß die FDC „mit großer Aufmerksamkeit die Demokratisierung Taiwans verfolgt“.

In Sachen Tibet wurde Selbstkritik geübt: „Wir geben zu, daß wir uns früher um die Menschenrechte im Tibet nicht gekümmert haben“, erklärte Vize-Präsident Wuer Kaixi, der Studentenführer vom Pekinger Tiananmen. Der Vertreter des Dalai Lama hatte auf der Konferenz die Unabhängigkeit Tibets gefordert, während das Vorbereitungskomitee der FDC lediglich das Prinzip eines föderativen Chinas als Ziel genannt hatte. Daraufhin angesprochen, präzisierte Wuer, daß in jedem Fall „das tibetische Volk seine Entscheidung selbst treffen wird“.

Sitz der FDC wird Paris sein. „Wir finanzieren uns aus den Vereinigungen der Exilchinesen und durch die Beiträge. Solange ich Generalsekretär der FDC bin, wird es keine Geldprobleme geben“, versprach Chinas erfolgreichster Privatunternehmer Wan Rennan. Es gebe keine Unterstützung durch die Regierung Taiwans.

Rennan legte sofort nach seiner Wahl zum Generalsekretär seinen Direktorenposten der Informatikfirma Stone nieder. „Wir werden jetzt unser Manifest per Telefax und Video an chinesische Firmen und an die Bevölkerung der Volksrepublik China schicken, um sie über unsere Ziele zu informieren“, so Rennan.