Mutter Schering

Der Konzern, der den rot-grünen Senat auf seine erste größere ökologische Kraftprobe stellt, ist nicht nur ob seiner ökonomischen Potenz ein harter Brocken. Schering und Berlin - dieses Gespann kennt sich schon seit Generationen und hat nicht nur Firmen- sondern vielfach auch Familiengeschichten geschrieben.

„Mutter Schering“, hieß der Konzern früher bei einigen Beschäftigten wegen seines vereinnahmenden Wesens, aber auch wegen seiner teils recht großzügigen Sozialleistungen. Einen „unverzichtbaren Partner Berlins“ nennt ihn heute der der Wirtschaftssenat. Während in den alten Firmengebäuden von Schering im Ostteil der Stadt heute „VEB-Berlin-Chemie“ vor sich hin stinkt, blendet der Konzern im Westteil der Stadt im Arbeiterbezirk Wedding mit einem hochmodernen Glas -Glitzerbau über seine unterirdischen Chemiesauereien hinweg. Als Dank für dessen bloße Existenz hat West-Berlin längst eine Straße nach dem Konzern benannt.

Ökonomisch spielt Schering eine „eminent wichtige und nicht wegzudenkende Rolle in Berlin“ und ist ein „unverzichtbarer Partner der Stadt“ - so der O-Ton aus dem Wirtschaftssenat. Mit rund 7.000 Arbeitsplätzen ist die Schering AG hinter Siemens eines der größten Industrieunternehmen Berlins. Und was noch wichtiger ist: Schering ist einer der wichtigen Konzerne, der seine Unternehmenszentrale in der Mauerstadt hat und zudem seit Jahren steigende Milliardenumsätze verzeichnet.

Als einer der vierzig größten Pharmakonzerne der Welt weist Schering Jahr für Jahr vor allem mit der Herstellung von Anti-Baby-Pillen, Hormonpräparaten und Pestiziden steigende Gewinne auf. Allein im ersten Quartal 1989 verzeichneten die Schering-Statistiken eine Rekordumsatzsteigerung von 21 Prozent auf 1,6 Milliarden Mark auf. Von den millionenschweren Jahresüberschüssen gibt der Konzern hin und wieder auch mal eine milde Gabe an Berlin ab. Mal sponsert man eine Reise von Nachwuchsjournalisten in die Mauerstadt, mal fördert man ein Kulturprogram, und zum 750jährigen Jubiläum der Stadt spendete der Konzern den Berliner Universitäten mit dem Gestus eines Feudalherren drei - natürlich zweckgebundene - Professorenstellen für „Kulturmanagement“ und „Mikroelektronik“.

Den Berliner Universitäten ist der Pharmariese allerdings auch noch auf ganz andere Weise verbunden. Nach dem amerikanischen Vorbild des Firmensponsering von Universitäten ist Schering zu 50 Prozent an einem neugeschaffenen Institut für Genbiologische Forschung beteiligt, das ansonsten von der Berliner Technischen und der Freien Universität getragen wird. „Schering bekennt sich zu Berlin“, heißt es aus dem Glitzerbau im Wedding. Ob's Berlin auch nach der Umweltsauerei in „Mutter Scherings“ Keller danken wird oder ob es dann an Mutterns Eingemachtes geht?

Vera Gaserow