Sexismus „Auf den Höfen“

■ Frau entfernte Plakat in seiner Kneipe, da holte der Wirt das Messer / Kerstein: Lizenz entziehen

Die fünf Frauen hatten die Tagung „Frauenwelt Computerräume“ besucht, waren dann in das Konzert der Computermusikerin Viola Kramer gegangen und wollten den Abend gemeinsam in einer Kneipe beschließen. So kam es, daß sie sich vergangenen Freitag gutgelaunt ins „Firlefanz“ setzten, ein Speiselokal in der abendfüllenden Ostertor -Konsumier-Straße „Auf den Höfen“.

Doch der Abend nahm einen brutalen, unfeministischen Fortgang, und den werden die fünf so schnell nicht vergessen. Sie be

reiten Flugblätter und Plakate vor, die Frauen auffordern, dieses Lokal zu boykottieren.

Eine der fünf Frauen, die Bremer Hochschullehrerin Susanne Schunter-Kleemann, hatte im Lokal ein Theaterplakat entdeckt und als „sexistisch“ empfunden.

Das veraltete Plakat macht Werbung für die Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“ von Sergej Prokofiew, die bereits im Januar 1989 Premiere hatte. Das Plakat war im „Firlefanz“ nicht entfernt worden, wie es überhaupt eines der gängigsten Bremer Theaterplakate ist. Der Entwurf der Hamburger Grafikerin Petra Stender: Zwei Beine, in hockhackigen Pumps, in schwarzen Nahtstrümpfen und Straps - oben in Pofleisch endend, zwischen den Oberschenkeln baumelt ein Zelluphan -Säckchen mit drei Orangen.

Die fünf Frauen waren sich einig: „übel sexistisch und entwürdigend“. Karin Bergdoll, wissenschaftliche Mitarbeiterin, griff zur Selbsthilfe. Sie nahm das Plakat von der Wand. Der Wirt und ein Gast protestierten kurz, schienen sich jedoch nicht weiter an der Aktion zu stören. Die Frauen vertieften sich wieder in ihr Gespräch. Nach einer guten Stunde

bezahlten sie ihre Zeche und verließen das Lokal.

Doch sie hatten ihre Rechnung ohne den Wirt gemacht. Der stürzte plötzlich, mit einem Schlachtermesser bewaffnet, den Frauen hinterher und zerstach die Handtasche von Karin Bergdoll - von der Frau, die das Plakat abgenommen hatte. Dann ging der Wirt zurück ins Lokal, die Frauen in ihrer Ohnmacht und Bestürzung schnurstracks hinterher. Die Post -Personalrätin Heidi Brinkema, die Kampftraining betreibt, stellte den Wirt an der Theke zur Rede. Die Hochschullehrerin Susanne Schunter-Kleemann erzählte währenddessen empört den Gästen, daß der Wirt

sie draußen mit dem Messer bedroht hatte. Daraufhin schlug ihr der Wirt so ins Gesicht, daß ihre Brille quer durch's Lokal flog und wütete: „Ihr macht mir das Lokal kaputt.“ Von den überwiegend männlichen Gästen bekamen die Frauen keine Unterstützung, im Gegenteil, eine „unheimliche Feindseligkeit“ schlug ihnen entgegen.“ Heidi Brinkema: Ich hatte das Gefühl, daß 'ne ganze Menge Männer mit Messern dastehen.“ Die fünf Frauen schlugen nicht zurück, sondern ließen sich aus dem Lokal drängen.

Die Bremer Gleichstellungsstelle fordert das Gewerbeaufsichtsamt auf, dem Wirt die Schankerlaubnis zu entziehen.

B.D.