115 Kinder „irrtümlich“ erschossen

Der israelische Verband der „Internationalen Organisation zum Schutz der Kinder“ führt Klage gegen die Militärbehörden in den besetzten Gebieten / Menschenrechtsbüro veröffentlicht Listen jugendlicher Opfer  ■  Aus Tel Aviv Amos Wollin

Immer mehr Kinder werden in den von Israel besetzten Gebieten Opfer wahllos schießender israelischer Soldaten. Zu diesem Ergebnis kommt Dr. Menachem Horowitz, Vorsitzender der Israel-Zweigstelle der „Internationalen Organisation zum Schutz der Kinder“. Auf einer Pressekonferenz am Samstag in Jerusalem gab Horowitz bekannt, daß seine Organisation darüber jetzt Klage führt. Horowitz und ein weiteres Vorstandsmitglied, der Kriminologe Leslie Sebba, forderten das israelische Militärkommando auf, Schritte zu unternehmen, damit nicht weiterhin so viele Kinder erschossen oder verwundet werden.

Bis Anfang diesen Jahres lag der Prozentsatz erschossener Palästinenserkinder noch zwischen 15 und 20 Prozent, gemessen an der Gesamtzahl der erschossenen arabischen Zivilisten in der Westbank und im Gaza-Streifen. Zwischen Januar und Juni 1989 ist der Anteil der Kinder auf 28 Prozent angestiegen; im August waren fast die Hälfte der Opfer Jugendliche unter 16 Jahren - darunter auch viele ganz junge Kinder. Horowitz und Sebba appellierten auch an die palästinensischen Eltern, ihre Kinder möglichst zu Hause zu halten, damit sie auf der Straße nicht Gefahr laufen, angeschossen zu werden. Die beiden Wissenschaftler schlagen vor, Kinder, die wegen Steinewerfens angeklagt werden, nicht von Militärtribunalen, sondern von Jugendrichtern im Rahmen der Militärgerichte verurteilen zu lassen. Desweiteren sollen zu Gefängnisstrafen verurteilte Kinder in ein für sie bestimmtes und nicht in ein allgemeines Gefangenenlager eingeliefert werden.

Das Jerusalemer Informationsinstitut „Bazelem“ (Israel-Büro für Menschenrechte in den besetzten Gebieten) hat eine Liste mit Namen, Todesdaten und Art der tödlichen Verletzungen von 115 Palästinenser-Kindern veröffentlicht, die seit Beginn der Intifada im Dezember 1987 erschossen worden sind. Die Liste wurde von einem Militärsprecher bestätigt. Er beschuldigt die Palästinenser, ihre Kinder wissentlich in den Tod zu schicken; steinewerfende Palästinenser ließen sich durch Kinder „decken“, oder die Kinder selbst würfen Steine oder Molotow-Cocktails auf Militärfahrzeuge. Vermummte, auf die geschossen würde, stellten sich als 13jährige Kinder heraus. Wie jetzt amtlich bekanntgegeben wurde, will das Militär ihre Scharfschützen durch „Feuer -Kontrolleure“ überwachen lassen - um künftig „Irrtümer“ zu vermeiden.