Große Schnitte mit kaltem Kaffee

US-Präsident Bush gewinnt mit seinen Vorschlägen zum Chemiewaffenabbau großes Prestige / Sowjetunion will sich dem Vorschlag der radikalen Reduzierung oder Abschaffung aller chemischen Waffen anschließen  ■  Aus Genf Andreas Zumach

Mit seinen am Montag vor der UNO-Vollversammlung in New York unterbreiteten drei Vorschlägen für einen Chemiewaffenabbau war es US-Präsident Bush gelungen, in den Augen der Öffentlichkeit ein Stück abrüstungspolitischer Initiative von Gorbatschow zurückzugewinnen. Kaum einen Tag später will sich die Sowjetunion dem Vorschlag einer radikalen Abschaffung aller chemischen Waffen anschließen. Das geht aus einem am Dienstag vorab veröffentlichten Redetext Außenministers Schwewardnadse hervor. Zwei der drei Vorschläge sind allerdings keineswegs neu, sondern stehen bereits in den schon fertigen Abschnitten des Vertragsentwurfes für ein weltweites C-Waffenverbot.

Den vom US-Kongreß auferlegten Zwang zur vollständigen Vernichtung der C-Waffen-Altbestände von mindestens 30.000 Tonnen Kampfstoffen bis 1997 kleidete Bush in das „Angebot“ zur Reduzierung des C-Waffenbesitzstandes der USA um 80 Prozent auf 6.000 Tonnen, falls die UdSSR ebenfalls von derzeit mindestens 50.000 Tonnen auf diese Menge runtergeht. Doch eine Realisierung wäre keine Vorleistung und würde die militärischen Fähigkeiten und Optionen der USA im C -Waffenbereich keineswegs verringern. Denn die - von Bush nicht erwähnte - Produktion moderner binärer C-Waffen geht weiter. Sie ist mengenmäßig auf rund 20 Prozent - also ebenfalls 6.000 Tonnen - der derzeitigen Altbestände angelegt. 80 bis 90 Prozent der Altbestände sind nach Angaben des Pentagon ohnehin nicht mehr einsatzfähig.

Die UdSSR produzieren derzeit keine neuen C-Waffen. Auf die Beseitigung aller C-Waffen bis spätestens zehn Jahre nach einem Genfer Vertragsabschluß über ein weltweites Verbot hatten sich die 40 Staaten der UNO-Abrüstungskonferenz bereits geeinigt. Bush knüpfte daran jetzt jedoch die Vorbedingung, daß die über 20 Staaten, die nach Auffassung Washingtons heute C-Waffen besitzen oder herstellen können, den Vertrag zuvor unterschrieben haben müssen. Die jetzt von Bush vorgeschlagene Reduzierung nach acht Jahren auf ein Niveau von zwei Prozent der US-Vorräte - also rund 600 Tonnen - entspricht dem derzeitigen Arsenal Frankreichs.

Bushs Vorschläge vor der UNO sollen Moskau nach den von Baker und Schewardnadse unterzeichneten C -Waffenvereinbarungen in weitere bilaterale Abkommen verknüpft mit Antiproliferationsmaßnahmen vor allem gegen Dritte-Welt-Staaten einbinden. Baker und Sicherheitsberater Scowcroft sprachen am Montag über die Möglichkeit politischer und wirtschaftlicher Sanktionen gegenüber Ländern wie Libyen, falls sie ein C-Waffenverbot nicht unterschreiben.