Berliner „Polenmarkt“ wird halblegal

■ Berliner Senat gibt sich geschlagen / Handelnde PolInnen dürfen an alten Platz zurückkehren / Momper will in Brüssel vorsprechen / Verzicht auf weitere Großrazzien

Berlin (taz/ap) - Nicht per Senatsbeschluß, sondern in Form eines Hintergrundgespräches gab der Berliner Senat am Montag zu verstehen, daß seine Polen(Markt)-Politik gescheitert ist. Die handelnden Polen dürfen an den alten Platz zurückkehren, von dem sie durch Zäune und Polizeieinsätze vertrieben wurden: Dieses Gelände liegt zwischen dem sogenannten Krempelmarkt und der Mauer, genau dort, wo im ehemaligen Groß-Berlin die Verkehrsdrehscheibe, der Potsdamer Platz lag. Der Senat betont, daß damit keine Legalisierung des Marktes angezielt werde. Da aber jetzt hygienische Einrichtungen installiert werden, muß davon ausgegangen werden, daß der Markt nunmehr einen dauerhaften Platz gefunden hat. Außerdem will der Regierende Bürgermeister Momper bei einem Besuch in Brüssel ausloten, inwieweit die EG-Zollbestimmungen Ausnahmemöglichkeiten zulassen. Darüber hinaus will der Berliner Senat sich um einen Beitrag des Bundes bemühen, da die 50 Mark, die Polen bei der Einreise in die BRD vorweisen müssen, auf dem Berliner Schwarzmarkt verdient würden.

Anlaß für die Entscheidung war die Sorge um den Mendelssohn -Bartholdy-Park, dem letzten illegalen Standort der handelnden Polen. Der Senat verweist auf unhaltbare Zustände, auf 20 Kubikmeter Müll und auf Sonderschichten der Stadtreinigung. Ihre Wende begründet die Berliner Regierung auch mit humanitären und ökonomischen Argumenten. Der „Polenmarkt“ sei eben ein Einbruchstor der Armut. Ein hoher Senatsbeamter: „Diesen Winter sind 25 Prozent der polnischen Bevölkerung von Hunger bedroht.“ Andererseits wird die Umsatzsteigerung des Berliner Einzelhandels, besonders der Hi-Fi-Läden, hervorgehoben. Gleichzeitig erklärt der Senat, daß das Problem durch Polizeikontrollen sich nicht lösen lasse. Großrazzien seien, gemessen an den Delikten, nicht verhältnismäßig. Bis jetzt habe keine einzige Anzeige zur Verurteilung geführt. Allerdings haben 700 Polen eine einjährige Einreisesperre erhalten, zum Teil wegen geringfügigster Handelsgegenstände.

Angesichts der Not erscheint es selbst der Polizei nicht mehr vertretbar, Frauen mit Kristallvasen ebenso festzunehmen wie gewerbsmäßige Schieber. An eine Erleichterung der Zollkontrollen ist aber nicht gedacht.

Für den polnischen Sozialrat Kaminski in Berlin kommt die Entscheidung des Senats um einige Monate zu spät. Gegenüber der taz erklärte er, daß „die Verfolgungsjagden und die zögerliche Senatspolitik einiges kaputtgemacht“ haben. „Dadurch ist vielleicht auch die Bevölkerung in eine Richtung gekommen, die sich die Republikaner schon lange gewünscht haben. Ich höre aus allen Ecken, daß die Polenfeindlichkeit zunimmt.“

KH