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■ „25 Jahre Computerkunst“ im BMW-Pavillon

„Wie nahe Kunst und Technik beieinander liegen können, zeigt in einem repräsentativen Querschnitt am Beispiel Computerkunst eine Ausstellung...“, so BMW über BMW-Kultur. Im transparenten, gediegenen Autoheim zwischen den kultischen Untersätzen auf vier und zwei Rädern wird in exakter Chronologie plus Lehrbeispielen der Geschichte der Computeranimation gehuldigt, die sich in direkter Proportionalität zum elektronischen Fortschritt verhält: Vom mechanischen Zeichenautomaten zum Bildschirmgerät, von der hochaufgelösten Farbfotoattrappe organisch-apokalyptischer Kunstwesen zum 8.000-Dollar-teuren Sekundenbruchteil eines Science-Fiction-Films. Und am Ende kehrt die Kunst, die sich einst aus der angewandten Technik zur Spielerei von Ingenieuren und Wissenschaftlern emanzipierte, wieder zurück zu ihrer natürlichen Bestimmung, unmerklich und selbstverständlich. Am Ende der Stelltafeln steht die angewandte Kunst durch die hochspezialisierten Rechnerprogramme in den BMW-Werken selbst. Vom Schreibtisch aus wird dort Design, Fahrtüchtigkeit, Sicherheit, Lichteinfall etc. auf dem Bildschirm echter als im Ernstfall simuliert.

Natürlich, so Herr Ärmlich von der PR-Abteilung über den gar nicht ärmlich gedeckten Tisch hinweg, wolle man gar nicht bestreiten, daß es auch darum gehe, „kräftig Autos zu verkaufen“. Man sage ganz offen, man wolle in diesen Zeiten der Werbemüdigkeit die Akzeptanz der Ware erhöhen. An der Kulturförderung komme die Wirtschaft heute nicht mehr vorbei.

Und die Kunst nicht an der Wirtschaft, erst recht nicht, wenn sie in die neuen Medien expandiert und sich, nicht nur was Vertrieb und Vermittlung, sondern auch die Produktionsmittel betrifft, der Großmut der Unternehmen unterwirft. Computergrafik hängt als Abfallprodukt in den Konstruktionsbüros der Ingenieure, wird von der Kulturindustrie in Riesenrechenzentren produziert oder fristet ein intimes Dasein in den lonely hearts der privaten Personalcomputer. Als konsequent moderne Kunst hat sie sich längst ihres Jungfernhäutchens, der Antinomie von Original und Fälschung und damit auch ihres eindeutigen Fingerabdrucks beraubt. Wenn sie, selbst Bestandteil neuer Reproduktionstechniken, als beliebig vervielfältigbarer Ausdruck erscheint, durch den Zufallsgenerator ausgespuckt, wird ihre Aussage obsolet. Die Exponate sind - abgesehen von ihrer Verwertbarkeit als Bestandteile einer Dokumentation für Schwindelfreie, einer Hymne auf die industrielle Evolution - farbenfrohe schnittig linierte Poster, die sich Racer aller Art gern in die Garage hängen würden. Infolgedessen interessierte sich die geladene Presse schnell für die übliche Ware, frisch aus dem simulierten Windkanal.

Womit die Kunst ihre Aufgabe erfüllt hat. Zumindest nach dem Selbstverständnis des kulturellen Marketingbüros des Unternehmens. Denn, so wird erklärt, man sei offen für aktuelle gesellschaftliche Strömungen, was sich in kultivierter Technik ausdrücke. Kultur scheint nurmehr als „Verfeinerung technischer Lebenswelten“ auf, als Reformprogramm für die tempolimitierte Gesellschaft. Herkömmliche Kunstkriterien greifen in diesem Zusammenhang nicht mehr: Begriffe wie „Kreativität“ und „Experimentieren“ sind inzwischen mehr in Managermäulern als in Bastelkursen heimisch. Doch die Klage der Kunst gehört mit zum endzeitseligen Stimmungsbild, in dem auch regelmäßig die Entmaterialisierung und Symbolhaftigkeit aller Politik süchtig bejammert wird. Insofern sind die bajuwarischen Motorenwerke auf der Höhe der Zeit, wenn sie jubeln: „Die Simulation ist eine auf einer wissenschaftlichen und technischen Basis begründete Methode, doch gerade bei ihr ergeben sich reizvolle Überschneidungen mit künstlerischen Fragen. Technik und Kunst stehen einander näher als man manchmal annehmen möchte.“ Was zu beweisen war.

DoRoh