Verbraucher-Kompaß: Atom-Pilze / 28. September 1989

Die Tschernobylforscher werden täglich klüger. Gewußt wie, ist der Maronenröhrling im Jahre 2000 vielleicht wieder eßbar. Zur Zeit führt er mit einer Belastung von 4.600 Bq pro Kilo (nördlicher Chiemsee) vor allen anderen Pilzen. Steinpilze, die in direkter Nachbarschaft des stark strahlenden Pilzes wuchsen, hatten dagegen nur ein Zehntel von dessen Belastung. Bonner Forscher lösten nun das Rätsel und fanden es auf dem Pilzhut. Der braune Farbstoff des Maronenhutes „Badion A“ und „Norbadion A“ ist mit dem Element Kalium in einer chemischen Komplexbindung verbunden. Statt Kalium, das wissen alle aufmerksamen LeserInnen, wird von den Pflanzen gerne Cäsium eingelagert. Im braunen Farbstoff des Hutes fanden die Forscher 11.300 Bq Cäsium 137 pro Kilogramm. Nach Entfernung der Haut des Hutes wurden noch 130 Becquerel Cäsium 137 pro Kilogramm Frischgewicht gemessen. Das natürliche Kalium 40 fand sich im Hutfarbstoff mit 20.500 Bq, im Restpilz mit 150 Bq. Neben dem Maronenröhrling reichert auch der Flockenstielige Hexenröhrling auf das 2.6fache Cäsium in seinem Hutfarbstoff an. Steinpilze, die diesen Farbstoff nicht besitzen, haben im Hut eine geringere Cäsiumkonzentration als im Fruchtfleisch. Ihre im Vergleich zum Maronenröhrling geringere Cäsiumaktivität wird darauf zurückgeführt, daß Steinpilze ihr vegetatives Myzel im mineralischen Unterboden ausbilden, der eine geringere Belastung aufweist als der mit organischen Substanzen durchmischte Bereich. Zur Überraschung der Forscher fanden sie in den Hüten des amerikanischen Röhrlings aus Vancouver Island aus dem Jahr 1987 rund 200.000 Bq Cäsium 137. Da Kanada von Tschernobyl nur unwesentlich betroffen war, muß diese atomare Verseuchung andere Ursachen haben und länger zurückliegen. Ablesen ließ sich das bei diesen Pilzen an dem relativ niedrigen Wert für Cäsium 134 mit einer Halbwertzeit von rund zwei Jahren.

Zucht-Champignons Polen (9.8.89)0.3 Bq

Dietramszell, München0.6 Bq

Holzschwammerl, nördl. Chiemgau (7.8.89)594 Bq

Maronenröhrling, Tangstedt-Norderstedt, Hamburg189 Bq

Lobenstein/DDR (13.8.8)9532 Bq

nördl. Chiemsee (7.8.89)2500 Bq

nördl. Chiemgau (16.8.89)4600 Bq

Pfifferlinge, UdSSR (24.8.89)14.9 Bq und 177 B

Polen (9.8.89)58.3 Bq (14.8.89)64.3 Bq

Polen (15.8.89)70 Bq

Kirchbichel, Tirol, August 89199 Bq

Westendorf/Tirol, 1600m ü NN, August 8942 Bq

Windautal, Westendorf/Tirol Juli 89251 Bq

Hochfilzen/Tirol (8.8.89)219 Bq

Rotkappen, Berlin-West (10.8.89)112.4 Bq

Steinpilze, Westendorf/Tirol (8.89)31 Bq

Täubling/Bitterling, nördl. Chiemsee (7.8.89)2100 Bq

Mischpilze, Fieberbrunn/Tirol (14.8.89)69 Bq

Wiesenchampignon Jesenwang, Lkr. FFB (12.9.89)1 Bq

Edelreizker, Marktoberndorf (12.9.89)250 Bq

Trompeten-Pfifferling, Marktoberndorf (12.9.89)1740 Bq

Wiesenchampignon, Unterstudhausen, Lkr. RO (12.9.89)6.9 Bq

Für Pilzfans ist es vielleicht von Vorteil, Pilze selbst zu züchten. Im Schatten von Bäumen und Sträuchern kann man problemlos holzbewohnende Pilze anbauen. Besondere Substrate werden nicht benötigt. Leider haben Pilze eine große Affinität zu den Schwermetallen Cadmium, Blei und Quecksilber.

Werte: Cäsium Becquerel pro Kilogramm.

Quelle: Strahlentelex 64/65 1989.