Mattscheibe bei den Telemissionaren

■ Medialer Blackout bei Fundamentalisten - PRO 7 klemmt Kirchenfundis das Kabel ab

Seit 1984 gibt es auch hierzulande ein fundamentalistisches Religions-TV nach amerikanischem Vorbild: Die Media Vision Produktionsgesellschaft der rund 140 Mitglieder des Bundes freikirchlicher Pfingstgemeinden. Gesendet wurde bisher täglich nach Mitternacht in München, im Kabel auf dem Kanal von PRO 7.

Die Telemissionare der Media Vision sind eine Erblast vom Vorgängersender Eureka, der Ende 1988 nach einem Verlust von 30 Millionen in zwei Jahren, durch den Verkauf von 49 Prozent an den Sohn des Filmhändlers Leo Kirch zu PRO 7 wurde. Mehrheitsgesellschafter blieb der ehemalige Miteigentümer des Allkauf-Konzerns, Gerhard Ackermanns.

Die Realsatirequalitäten der Super-Christen, die immer erst nach Sendeschluß von PRO 7 loslegen durften, sind beachtlich: Da bekennt eine adrett gekleidete junge Sängerin im Anschluß an das obligatorische „Jesus-liebt-dich -Schulbild“ zum Auftakt eines Gottesdienstes der Philadelphia-Gemeinde Berlin: „Wie der Herr mich von Homosexualität geheilt hat“. Und in der Sendung Wendepunkt berichtet Lydia Schulz, eine alte Frau, von diversen „Heilungen„; unter anderem weiß sie von ihren „ehedem“ ungleich langen Beinen zu berichten, die so schnell gleichlang gebetet wurden, daß sie „sie förmlich wachsen sah“.

Gegen Ende jeder Sendung wird neben Kontonummern Gottes Hilfe unter Telefonnummern in ganz Deutschland offeriert. Aber in Nürnberg, Berlin, Stuttgart und Kiel hebt „Gott“ nicht ab. Kein Wunder - um diese Zeit. Nur in Hamburg. Und siehe da: Gott ist tatsächlich eine Frau und arbeitet bei der Media Vision.

Auf die Dauer war das den PRO 7-Leuten dann auch zu peinlich. Sie kündigten der Media Vision fristlos, die seit einem halben Jahr die 62.000 Mark monatlichen Gebühren für die Überlassung der Sendezeit nicht mehr bezahlt hatte. Streitpunkt ist die Ausübung der „redaktionellen Oberhoheit“, zu der sich die Münchner durch eine Auflage der Landesmedienanstalten, der Aufsichtsgremien des Privatfernsehens, verpflichtet sehen. Ob die Kündigung medienrechtlich durchgeht, bleibt abzuwarten.

Schon früher flogen Beiträge, so der PRO 7-Geschäftsführer Georg Kofler, „dutzendweise“ wegen „Unsendbarkeit“ aus dem Programm. Bis 1987 wurden die Tiraden des erzreaktionären US -Fernsehpredigers Jimmy Swaggart ins Deutsche übersetzt und ausgestrahlt. Wegen antisemitischer und rassistischer Ausfälle in Swaggarts „Predigten“ erhielt die christliche Media Vision bereits 1984 eine Rüge vom Aufsichtsgremium des Kabel-Pilotprojekts Ludwigshafen. Sendepause hat der Gottesmann erst, seit er seine weiße Weste mit einer Sex -Affäre bekleckerte.

Der programmatische Inhalt der halbstündigen Religionshow ist durchdrungen von einer mythisch idealisierten Vergangenheitsvorstellung. Verbreitet ist auch der „Prämillenarismus“, der Katastrophen als Schritte auf dem Weg zum Reich Gottes auf Erden sieht.

Die Gottesdienste eines Reinhard Bonke, der sich „das Maschinengewehr Gottes“ nennt, gleichen eher einer Wahlkampfrede des seligen Franz Joseph Strauß, als daß der heutige Geist verkündet wird. Problembewältigung mittels Bewußtmachen und Aufarbeiten gibt es nicht. Hartwig Henkel („der Henkel Gottes“?) von der Philadelphia-Gemeinde Berlin: „Das, was dich fertigmacht, kommt vom Satan, nicht von dir selbst. Du sieht es schon daran: Du leidest ja darunter!“

Wenigstens das Fernsehpublikum ist momentan auf Entzug gesetzt und muß sich vorerst ohne die moralischen Fußtritte christlicher Kabel-Chomeinis durchs Leben schlagen. Eine einstweilige Verfügung, die Media Vision gegen den Rausschmiß erwirken wollte, scheiterte bisher am Urlaub der zuständigen Richter.

Stephan Schulz