Vergewaltigung: Langer Streit mit stillem Ende

Die Grünen-Fraktion brachte nach vierjährigem Hauen und Stechen ihren Gesetzentwurf zur Vergewaltigung in der Ehe ein Forderung nach einer Zwei-Jahres-Mindeststrafe / Die Regierungsparteien bleiben dabei: Die Vergewaltigung in der Ehe ist weiter legal  ■  Von Charlotte Wiedemann

Bonn (taz) - Wenn Bundestagsdrucksachen einen Stoßseufzer von sich geben könnten, dann würde es die Drucksache Nummer 5153 gewiß tun. Und ließe sich einem Gesetzentwurf sein parteipolitischer Leidensweg ansehen, dann müßte dieser mit ausgerissenen Haarbüscheln garniert sein: Der Grünen-Entwurf zur Reform des Vergewaltigungs-Rechts.

Vier Jahre lang wurde um ihn gestritten, zwei Jahre lang lag er parlamentarisch auf Eis. Mitternächtliche Krisensitzungen, eine Zeitungsanzeige gegen die Fraktion, mehrmalige Parteitagsbeschlüsse: Die eigentlich untergeordnete Frage, ob die Mindeststrafe für Vergewaltiger ein oder zwei Jahre betragen solle, wurde zum Grundsatzkonflikt, weil er das damals gespannte Verhältnis zwischen Fraktionsmehrheit und Parteigremien betraf. Wie ein Spuk ist der Streit nun verflogen, nachdem sich die politische Landschaft der Grünen geändert hat.

Der Gesetzentwurf wurde, ergänzt und aktualisiert, im wesentlichen so eingebracht, wie er vor Beginn des großen Hauens und Stechens bereits ausgesehen hatte: mit der Beibehaltung der bisher rechtsgültigen Mindeststrafe von zwei Jahren. So hatte es der zurückliegende Parteitag noch einmal verlangt, und in der Fraktion war es dann kaum noch ein Thema.

Unabhängig von den Grünen-Streitereien der Vergangenheit ist es die Gesetzesnovelle wert, Beachtung zu finden. Hier wird erstmals versucht, das sexuelle Selbstbestimmungsrecht der Frau strafrechtlich und strafprozessual zur Geltung zu bringen, ohne juristische Hintertüren offen zu halten.

Die wesentlichen Änderungen gegenüber der jetzigen Rechtslage: Die eheliche Vergewaltigung wird genauso geahndet wie die außereheliche. Die bisherigen Tatbestandsvoraussetzungen der Gewaltanwendung und der „Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben“ entfallen zugunsten der schlichten Formulierung „gegen ihren Willen“. Als Vergewaltigung wird auch die orale und anale Penetration gewertet. Der „minderschwere Fall“ wird gestrichen, so daß es kein Strafmaß unter zwei Jahren mehr gibt.

Damit sollen vor Gericht Verteidigungsstrategien unterbunden werden, die der Frau eine Mitschuld zuweisen, indem zum Beispiel ihr sexuelles Vorleben zum Thema gemacht wird. Zusätzlich soll durch ein Beweiserhebungsverbot die sexuelle Intimsphäre des Opfers geschützt werden. Die Frau bekommt darüber hinaus das Recht, die Öffentlichkeit sowie den Täter ausschließen zu lassen, wenn dieser durch einen Anwalt im Verfahren vertreten ist.

Der Grünen-Vorlage ist die Ablehnung im Bundestag zwar sicher, doch werden die Koalitionsparteien bei der parlamentarischen Beratung noch einmal begründen müssen, warum sie die eheliche Vergewaltigung immer noch nicht als Straftat sanktionieren wollen. Im Mai dieses Jahres hatten sie eine Gesetzesnovelle der SPD abgelehnt, zugleich präsentierte die Union jedoch ein neues juristisches Konstrukt: Die Vergewaltigung im Ehebett sollte Straftat werden, jedoch nicht als Grund für eine Abtreibung gelten dürfen.

Doch selbst dieser Vorschlag des CDU-Rechtspolitikers Horst Eylmann und der Fraktionsfrauen verschwand schnell wieder in der Versenkung. Es sei eben, so urteilte ein Vertrauter Helmut Kohls im Kanzleramt kürzlich, nur der Vorschlag „einer Gruppe“ gewesen, der in der CDU/CSU-Fraktion nicht mehrheitsfähig sei. Gegen das Drängen der weiblichen Abgeordneten in der FDP- und Unionsfraktion wurde also von den männlichen Hardlinern für diese Legislaturperiode wohl endgültig verhindert, den sexuellen Leibeigenenstatus der Ehefrau abzuschaffen. „Das ist kein Thema, mit dem man Wähler gewinnen kann“, befand der Kohl-Mann.