taz-Lauscher bleiben ungeschoren

Staatsanwaltschaft stellt Verfahren gegen Berliner Verfassungsschutz ein / Nach unerbittlicher Ermittlungsarbeit „keine Anhaltspunkte für nachrichtendienstliche Ausspähung“ der taz gefunden  ■  Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Nach dem Motto „Wer nicht sucht, der nicht findet“ hat jetzt die Staatsanwaltschaft beim Berliner Landgericht ein Ermittlungsverfahren gegen den Berliner Verfassungsschutz eingestellt, das die taz angestrengt hatte. Durch Indiskretionen aus der Geheimdienstbehörde war im letzten Herbst bekanntgeworden, daß die taz offenbar nicht nur begehrtes Arbeitsfeld für V-Leute war, sondern auch mit nachrichtendienstlichen Mitteln ausgespäht und abgehört worden war. Taz-Redaktion und -Verlag und einzelne MitarbeiterInnen hatten daraufhin wegen Verdachts der Vertraulichkeitsverletzung des Wortes im November des Vorjahres Strafanzeige erstattet.

Zehn Monate lang ermittelte die politische Staatsanwaltschaft fieberhaft: Innerhalb eines dreiviertel Jahres schaffte sie es, nicht eine einzige Akte anzufordern und ganze drei Zeugen um eine schriftliche Stellungnahme zu bitten. Zwei dieser Zeugen, der SPD-Abgeordnete Lorenz und der jetzige Berliner Innensenator Pätzold, die im vergangenen Jahr wesentlich dazu beigetragen hatten, daß die Skandale um den Berliner Verfassungsschutz öffentlich wurden, beriefen sich dabei auf ihr Aussageverweigerungsrecht als ehemalige Mitglieder der geheimen Kontrollkommission zur Überwachung des Verfassungsschutzes und sagten nichts.

Als Kronzeugen zog die Staatsanwaltschaft nun einen Mann heran, der eher in die Reihe der potentiellen Täter gehört: den ehemaligen Leiter des Berliner Verfassungsschutzes. Der wiederholte gegenüber der Justiz sein altes Statement: „Zu keinem Zeitpunkt“ sei die taz mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet worden. Aber selbst wenn sie es gewesen wäre, sei das angesichts ihrer verfassungsfeindlichen Bestrebungen zumindest bis zum Jahr 1985 ganz legal gewesen. Daraufhin zeigte sich die Staatsanwaltschaft befriedigt. Sie verzichtete auf ihr ursprüngliches Vorhaben, die Verfassungsschutz-Akten über die taz einzusehen. Staatsanwalt Weber stellte das Ermittlungsverfahren „mangels ausreichender Verdachtsmomente“ ein.

Hartnäckiger zeigt sich die Justiz währenddessen, wenn es gegen die taz zu ermitteln gilt. Vierzehn tazlerInnen, die im Herbst letzten Jahres aus Protest gegen die gerade bekanntgewordene Ausspähung ihrer Zeitung die Redaktionskonferenz kurzfristig ins Foyer des Rathaus Schöneberg verlegt hatten, erhielten jetzt wegen Hausfriedensbruchs vom Amtsgericht Strafbefehle bis zu 900 Mark.