Krise beim UN-Flüchtlingskommissar

Der Hochkommissar der UNO für Flüchtlingsfragen, Jean-Pierre Hocke, steht unter schwerem Beschuß / 165 Millionen Mark Defizit im Budget / Mißmanagement und autoritärer Führungsstil  ■  Aus Genf Andreas Zumach

Der für die Betreuung von rund 14 Millionen Flüchtlingen in aller Welt zuständigen UNO-Behörde fehlen 165 Millionen Mark zur Deckung des diesjährigen Haushalts von 850 Millionen. Treffen bereits zugesagte Gelder nicht ein, könnte sich das tatsächliche Defizit sogar auf 275 Millionen Mark erhöhen. Zahlreiche der 400 MitarbeiterInnen sowie Genfer UNO -Diplomaten verschiedener Länder werfen dem Hochkommissar Jean-Pierre Hocke völliges Versagen bei der Neustrukturierung der Behörde, autoritären Führungsstil sowie Mißmanagement vor und sehen in ihm den Hauptverantwortlichen für die Finanzkrise.

Hocke entscheide nach dem Motto „Alle Macht dem Kommissar“ und habe für „Resignation auf breiter Front“ gesorgt. Als aktuelles Beispiel für Mißmanagement führen die KritikerInnen die Rückführung der 41.500 Namibia-Flüchtlinge ausschließlich mit Flugzeugen an, wodurch die knapp 80 Millionen teure Operation „viermal so viel wie nötig gekostet“ habe. Vor Journalisten verwies Hocke gestern darauf, die „kurze Zeit“ zwischen dem 15.Juni und dem 15.September habe „nicht ausgereicht“, um die Flüchtlinge über die Straße oder Schiene rechtzeitig zur Wahlregistrierung zurück nach Namibia zu bringen. Die Finanzkrise führt er wesentlich auf die gestiegene Zahl der Flüchtlinge zurück, die auch immer länger betreut werden müßten, als früher einmal angenommen.

Der höchste Schweizer UNO-Beamte wehrte sich auch gegen den am Dienstag im Schweizer Fernsehen erhobenen Vorwurf, entgegen einem Beschluß der UNO-Vollversammlung auf Dienstreisen erster Klasse geflogen zu sein und die Differenz zur Touristenklasse aus einem von der dänischen Regierung für die Bildungsarbeit unter Flüchtlingen bereitgestellten Fonds beglichen zu haben. Dies, so Hocke, sei eine bereits unter seinem Vorvorgänger unter Zustimmung aller Beteiligten etablierte Praxis. Die dänische Regierung hat inzwischen eine Überprüfung eingeleitet. Hocke läßt siet gestern untersuchen, wie internen dokumente seiner Behörde an das Schweizer Fernsehen gelangten.

Anfang 1988 ließ Hocke eine Ausgabe der Zeitschrift seines Hauses, ('Refugees‘) wegen einer kritischen Titelgeschichte über die Asylpolitik der BRD einstampfen lassen. Hocke war 1986 wesentlich auf Betreiben der USA zum Hochkommissar bestimmt und im Dezember 1988 wiedergewählt worden.

Ein interner Bericht des US-Außenministers sieht inzwischen im „mangelnden Vertrauen zu Hocke“ die Hauptursache der UNHCR-Krise. MitarbeiterInnen schließen inzwischen nicht mehr aus, daß es bei der nächste Woche in Genf beginnenden Sitzung des UNHCR-Exekutivausschusses zu Rücktrittsforderungen an Hocke kommt.