piwik no script img

Trommelfeuer für China

■ Mit Topfschlägen und Trillerpfeifen wurde gestern von Ost- Berliner Dächern gegen die China-Politik der DDR protestiert

Gestern war Betrieb auf Ost-Berlins Straßen, in Vorfreude auf den 40.Jahrestag der Republik standen die Menschen Schlange vor Verkaufsstellen für japanische Videorecorder und Weintrauben. Aus ganz anderen Gründen waren zwischen Dimitroffstraße und Helmholtzplatz im Bezirk Prenzlauer Berg die Genossen von der Volkspolizei und der Stasi mehr als üblich unterwegs. Die „demonstrative Observanz“ galt dem Treiben auf den Dächern im Karree Lychener- und Schliemannstraße. Trillerpfeifen, scheppernde Gießkannen und atonale Topfschläge versuchten von oben den Feierabendverkehr zu übertönen. Zu der Aktion „Trommelfeuer für China“ hatten Flugblätter aufgerufen, unterschrieben von der „Jungen Revolutionären Liga“ und unterstützt von den „Demokratischen SozialistInnen“. Aus Solidarität mit der chinesischen Demokratiebewegung sollte der Protest gegen das „verbrecherische Rechtshilfeabkommen“ zwischen der DDR und China lautstark zum Ausdruck gebracht werden.

Massive Polizeikräfte waren sofort zur Stelle, sobald das „Trommelfeuer“ zu orten war. Mit der „Fahndungskontrolle“ sollten jene Passanten eingeschüchtert werden, die extra zum Spektakel im Prenzlauer Berg, mitunter aus Potsdam angereist, sich eingefunden hatten. Personalien wurden notiert, ob es zu Verhaftungen kam, war nicht zu beobachten.

Mit dem „großen Krach“ - so war es im Tage vorher in Briefkästen verteilten Flugblatt zu lesen - wurde ebenfalls eine „alternative DDR-Medienpolitik“ gefordert: „Die Übernahme des Jargons des chinesischen Fernsehens beinhaltet eine entstellte Wiedergabe des Massakers auf dem Tiananmen -Platz.“ Außerdem solle Schluß gemacht werden „mit der ideologischen Unterstützung der Diktatur der chinesischen Politbürokratie“. Beendet wurde der Aufruf zur „Alkoholfreien Aktion“ mit der Bitte, „Wohnungen zur Verfügung“ zu stellen, um „Aktivisten vor Zugriffen der Polizei zu schützen“.

fa

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen