: Flotte Sprüche für das Kind
■ Mit Slogans, die an Autowerbung erinnern, will die christliche Wochenzeitung 'Rheinischer Merkur‘ für mehr Empfängnisfreude sorgen und ihr Image aufpolieren / Auch die Postreklame macht mit bei „Ich will ein Kind“
Von 24.000 Plakatwänden in der ganzen Bundesrepublik lächeln Babys herunter. Nicht für Windeln oder eine neue Breinahrung soll hier geworben werden, sondern das Kind selbst ist das Produkt, für das Empfängnisfreude geschaffen werden soll: „Ich will ein Kind“. Alle Bilder haben diese Unterschrift. Kaum erkennbar das Kleingedruckte darunter: „Eine Initiative des Rheinischen Merkur“. Die christliche Wochenzeitung hat die Düsseldorfer Werbeagentur Michael Schirner mit dieser Werbekampagne zur Imageaufbesserung der Zeitung beauftragt. In Imagepflege ist Michael Schirner nicht nur für Kartoffelpuffer und Kosmetik geübt. Er ließ sogar die umstrittene Atomfabrik Nukem im besten Licht erstrahlen. Der Mann, dem dies gelang, soll nun auch bei den Bundesdeutschen wieder das Interesse am Kinde wecken. Dies sei dringend geboten, meint Arnd Pötter, der Geschäftsführer des 'Rheinischen Merkur‘, in einem Schreiben; denn „die Bundesbürger sind materialistisch, egoistisch und ziehen lieber einen Zweitwagen einem Kind vor, sie halten sich lieber ein Tier, statt für ein Kind die Verantwortung zu übernehmen. Der Rheinische Merkur will nicht klären, welche dieser Behauptungen belegbare Tatsachen sind und welche nur Klischees und Vorurteile.“ „Schenken Sie Ihrer Frau ein Kind“
Wie materialistisch die von der christlichen Wochenzeitung beauftragte Werbeagentur das Kind an die bundesdeutsche Frau und an den bundesdeutschen Mann bringen wollte, verschlug der rheinland-pfälzischen Frauenbeauftragten Maria Böhme jedoch zunächst einmal die Sprache. Sie bekam adrette Babyfotos in die Hand, mit Unterschriften wie: „Schenken Sie Ihrer Frau lieber ein Kind statt einen Pelzmantel“, oder „...niedrig im Verbrauch“. Maria Böhme informierte die Frauenbeauftragten der anderen Bundesländer und schrieb selbst an den Verlag des 'Rheinischen Merkur‘, daß sie „in diesen Formulierungen ein sowohl kinder- als auch frauenfeindliches Verständnis von Partnerschaft“ sieht. Der 'Rheinische Merkur‘ bedankte sich für ihren Hinweis und gestand, „selbst gerade an einer Umstellung des Konzeptes zu arbeiten“. Bei der Vorstellung der neuen Version auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf distanzierten sich alle an der Initiative Beteiligten von der „Pelzmantel„-Idee: „Das waren reine Arbeitstitel, nie für die Veröffentlichung gedacht.“ Geblieben ist allerdings der Säugling, für den wie für ein Auto mit dem Slogan „Niedrig im Verbrauch“ geworben wird. Dieses Plakat soll auf die 5.000 Telefonhäuschen geklebt werden, die die Postreklame der umstrittenen Kampagne zur Verfügung stellen will. Auch der Fachverband Außenwerbung e.V. tritt als Sponsor auf: Zehn Tage lang stellt er Plakatwände kostenlos zur Verfügung.
Für Werbechef Schirner zeigen die Proteste nur, „wie wichtig und notwendig die Initiative und ihre Kampagne“ ist. Schirner findet seine Entwürfe „hurmorvoll“. Werbung dürfe, auch bei ernsten Themen, nicht „bierernst“ sein. Fehlende Kindergartenplätze, mangelnde Väterlichkeit der Männer, wirtschaftliche Schwierigkeiten, solche Probleme, die junge Paare daran hindern, ihren Kinderwunsch zu realisieren, hielt der Werbemann allerdings für „auf Plakaten nicht darstellbar“. Das soll in einer zehnteiligen Serie des 'Rheinischen Merkur‘ nachgeholt werden. Die Leiterin der dafür eingerichteten Sonderredaktion, Brigitta Mogge-Stubbe, widerlegt mit Zitaten der neuesten Statistiken des Bundesfamilienministeriums zum Teil selbst den Sinn dieser Initiative. Dort hätte sie gelesen, daß „95 Prozent der eheschließenden jungen Paare sich eine Familie mit zwei Kindern wünschen“.
Hannelore Müller
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