Tiefflugkonzept

Stoltenbergs Tiefflugbericht offenbart nichts als kosmetische Maßnahmen  ■ K O M M E N T A R E

Künftig werden Kinder und Kühe in Bayern oder Rheinland -Pfalz aus etwas größerer Höhe als bisher und nur noch acht statt zehnmal pro Stunde durch Tieffluglärm geschockt, in Belgien dafür sechs- statt viermal und im kanadischen Goose Bay oder im türkischen Konya doppelt so häufig wie bisher. Auf diese Formel lassen sich die weitgehend kosmetischen Maßnahmen des gestern vorgestellten Tiefflugberichts der Bundesregierung bringen.

Stoltenbergs Lärmreduzierungsbemühungen helfen vielleicht zur Vermeidung künftiger Wahlniederlagen und mögen lokale CDU-Politiker beruhigen, die sich bislang gegen den Tieffluglärm engagiert haben. Doch ein tragfähiges politisches Konzept ist das nicht. Durch die massive Kritik der letzten Monate zur ausführlichen Begründung für die fast unverminderte Fortsetzung des Tiefflugwahnsinns gezwungen, räumt Stoltenberg in seinem Bericht jetzt wenigstens ein, was Kritiker seit langem behaupten: Eine signifikante Reduzierung des Tiefflugs oder gar seine völlige Einstellung ist bei Aufrechterhaltung der gültigen Nato-Strategie und ihrer Luftwaffendoktrin nicht möglich. Der Tiefflug ist weiterhin unabdingbar, weil beim überragenden Teil der Übungen nicht die Verteidigung über bundesdeutschem Territorium, sondern das Unterfliegen gegnerischen Luft abwehrradars zwecks Angriff gegen Ziele im „feindlichen“ Hinterland geprobt wird also der sogenannte „offensive Anteil der Luft verteidigung“.

Stoltenbergs Verweis darauf, daß auch künftige Rüstungskontrollabkommen keine wesentliche Tiefflugentlastung bringen werden, entspricht der Nato -Absicht, bei den Wiener Verhandlungen über konventionelle Waffen eine Reduzierung ihrer modernen Flugzeugtypen auf jeden Fall zu vermeiden. Die Einstellung aller Tiefflüge oder zumindest ein mit Moskau vereinbartes Moratorium ist überfällig und wäre möglich. Doch noch hilft die Lüge von der Bedrohung aus dem Osten zu verschleiern, daß über der Bundesrepublik vor allem von den Alliierten aus den USA und Großbritannien auch der Einsatz gegen Ziele in der Dritten Welt geübt wird.

Andreas Zumach