Plante der MI-5 70 Mordanschläge?

Britischer Geheimdienst wollte 70 IRA-Mitglieder ermorden lassen, behauptet Ex-Geheimdienstler Polizeiakten waren Selbstbedienungslager für protestantische Todesschwadronen  ■  Aus Dublin Ralf Sotscheck

Hinter dem Mysterium der aus den Schränken der nordirischen „Sicherheitskräfte“ verschwundenen Akten über angebliche IRA -Mitglieder steckt womöglich der britische Geheimdienst MI -5. Der nämlich hatte geplant, 70 „mutmaßliche Mitglieder der Irisch-Republikanischen Armee“ (IRA) zu ermorden. Das jedenfalls behauptet der ehemalige Mitarbeiter des irischen Geheimdienstes, Hauptmann James Kelly, in einem Interview mit der 'Sunday World‘. Demnach habe der MI-5 geplant, sich für seine Mordanschläge auf „mutmaßliche IRA-Mitglieder“ protestantischer paramilitärischer Organisationen zu bedienen. Der Plan sei von der britischen Regierung abgesegnet worden. Es sollte damit erreicht werden, durch Einschüchterung die Rekrutierung neuer IRA-Mitglieder zu erschweren.

Hauptmann Kelly war Anfang des Jahres aus dem Vorstand der Regierungspartei „Fianna Fail“ (Soldaten des Schicksals) ausgetreten, weil er die Auslieferung politischer Gefangener an Großbritannien ablehnt. Seine Enthüllungen haben die Diskussion über die Kooperation der nordirischen „Sicherheitskräfte“ mit protestantischen Mordkommandos neu angeheizt. Der irische Außenminister Gerry Collins drückte indes seine „Besorgnis“ über das Verschwinden der Geheimakten aus. Dazu hat er allen Grund: Inzwischen wurde bekannt, daß auch Dokumente der südirischen Polizei, die im Zuge der Amtshilfe an die nordirische Polizei (RUC) weitergeleitet worden waren, in die Hände der protestantischen paramilitärischen Organisation „Ulster Volunteer Force“ (UVF) gefallen sind.

Seit Jahren schon sind die Aktenschränke der nordirischen „Sicherheitskräfte“ ein Selbstbedienungsladen für protestantische Todesschwadronen. In den vergangenen zwei Wochen verging kein Tag, an dem nicht das Verschwinden eines weiteren Geheimdokuments der Armee oder Polizei (RUC) bekannt wurde. Die vermißten Akten enthalten Fotos, Namen, Geburtsdaten und Adressen von mittlerweile 250 „mutmaßlichen IRA-Mitgliedern“. Protestantische Paramilitärs der UVF und der „Ulster Freedom Fighters“ (UFF) hatten die Geheimpapiere an die Medien weitergeleitet und behauptet, regelmäßig von den „Sicherheitskräften“ Informationen zu erhalten.

Darüber hinaus schickte die UVF Kopien der Akten, die mit handschriftlichen Morddrohungen versehen waren, per Post an die betreffenden Personen. Vermutlich handelt es sich bei den Enthüllungen der protestantischen Organisation um einen Racheakt. Anfang des Monats war ein UVF-Attentäter von der britischen Armee erschossen worden.