Berlin-Blockade der Bonner Koalition

CDU/CSU und FDP stoppen Forschungsförderung für Berlin / Begründung soll eine „diffuse“ Forschungssituation unter Rot-Grün sein / „Wahlkampf gegen Berlin“ oder „rein sachliches Anliegen“?  ■  Von H.-H. Kotte

Berlin (taz) - Eröffnung des Bundestagswahlkampfs mit einer Berlin-Blockade aus Bonn: Die christliberale Mehrheit im Forschungsausschuß des Bundestages hat am Mittwoch beschlossen, neue Forschungsprojekte in Berlin vorerst nicht finanziell zu fördern. Die Entscheidung, die sich auf Projekte bezieht, die das Bundesforschungsministerium (BMFT) und das Land Berlin gemeinsam finanzieren, wurde mit „der durch den rot-grünen Senat hervorgerufenen diffusen Lage der Forschung“ in der Halbstadt begründet.

Die forschungspolitischen Sprecher der Bonner Koalition stellten unter Protest der Ausschußmitglieder von SPD und Grünen die „angemessene und zielgerechte Verwendung“ der Bonner Forschungsmittel infrage und sahen die „Freiheit von Forschung und Lehre“ in Gefahr. Mit dem Blockade-Beschluß verbunden ist eine Aufforderung an Bundesforschungsminister Riesenhuber, einen Prüfbericht über die Forschungssituation in Berlin zu erstellen.

Nachdem der Regierende Bürgermeister Momper, Forschungssenatorin Riedmüller (SPD) und die Berliner Koalitionsparteien SPD und AL bereits am Mittwoch heftig protestiert hatten und Momper brieflich ein Gespräch mit dem Kanzler forderte, legte die Forschungsenatorin gestern noch einmal nach. Bonn verhänge mit dem Beschluß eine „forschungspolitische Blockade über Berlin“.

Würde die Bundesregierung im nächsten Jahr tatsächlich die Förderung einstellen, dann seien 300 Millionen an Forschungsgeldern in Gefahr. Die Entscheidung sei eine Attacke auf das „Zentrum der deutschen Forschungspolitik“ und gefährde damit die „gesamte bundesdeutsche Forschung“, die der „wichtigste Exportartikel“ der BRD sei. Die Senatorin sagte weiter, daß Bonn die Vorwürfe „weder sachlich begründet noch vorher mit Berlin Rücksprache gehalten habe“. Die Blockade sei weder „rechtlich noch politisch umsetzbar“.

Ziel der Attacke aus Bonn sind forschungspolitische Kurskorrekturen von Rot-Grün. Es geht dabei insbesondere um die Auflösung der konservativ-elitären „Akademie der Wissenschaften zu Berlin“, eines Renommierprojekts des Diepgen-Senats, und um die noch ausstehende Genehmigung für den mit Mängeln behafteten Forschungsreaktor am Hahn-Meitner -Institut. Außerdem bangen die Bonner um das Berliner Elektronensynchroton „Bessy“ und den Ausbau der Magnetbahn. Der Forschungspolitische Sprecher der FDP -Bundestagsfraktion, Laermann, sagte gestern gegenüber der taz, daß mit der Blockade keine „qualifizierte Sperrung“ von Forschungsgeldern beabsichtigt sei. Bonn verfolge mit der Entscheidung „rein sachliche“ Ziele. „Politische und ideologische Positionen“ dürften die Forschung nicht beeinträchtigen. Dabei verwies er auf das Beispiel des stillgelegten Hochtemperatur-Reaktors in NRW und die vor sich hin dümpelnde „Transrapid“.

Riesenhuber-Sprecher Jansen sagte der taz, daß der Prüfungsauftrag an den Minister eine „Dienstaufgabe“ sei, die „nicht aus dem Rahmen falle“. Allerdings sei der von den Christliberalen geforderte Bericht neben den üblichen regelmäßigen Berichten der Länder an das BMFT eine „Extra -Aktion“.

Den Protesten aus Berlin schloß sich auch der Vorsitzende des Forschungsausschusses, Wolf-Michael Catenhusen (SPD), an. Offensichtlich versuche die Koalition politisches Wohlverhalten mit der Androhung der Sperrung von Forschungsmitteln zu erzwingen.