Protestorganisation oder nicht?

Thomas Heberer, Vorsitzender der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft  ■ I N T E R V I E W

taz: Das Massaker auf dem Tiananmen scheint auch Ihre Gesellschaft (GDCF) in Mitleidenschaft gezogen zu haben. Mitglieder sprechen in einem Brief an die taz von der Pleite und einem Scherbenhaufen, weil die Gesellschaft sich in der Vergangenheit zu sehr von der chinesischen Regierung abhängig gemacht habe.

Thomas Heberer: Es ist richtig, daß wir in einer schwierigen Lage sind. Auf der anderen Seite hat es jetzt einen Klärungsprozeß gegeben. Man kann auch nicht sagen, wir hätten reine Kulturpropaganda gemacht. Wir haben uns durchaus bemüht, nichtoffizielle Kultur zu fördern. Die chinesische Seite hat uns aber teilweise den Austausch mit kritischen Künstlern verboten.

Am Wochenende haben Sie Ihre Bundesdelegiertenversammlung. Wird sich der Verein, wie manche vermuten, spalten?

Es gibt drei Positionen. Die erste lautet, daß man gegen das Massaker überhaupt nicht hätte protestieren dürfen. Die zweite will den Verein in eine Menschenrechtsorganisation oder ein Solidaritätskomitee umwandeln. Und die dritte, die wohl die Mehrheit unter den Ortsvereinen findet, will, daß man die demokratische Opposition unterstützt und Menschenrechte in den Vordergrund stellt, aber nicht alle Türen nach China zuschlägt.

Die erste Position - weitermachen wie bisher - wird offenbar von einigen prominenten Mitgliedern mitgetragen. Erwin Wickert, Exbotschafter der Bundesrepublik in Peking und Beiratsvorsitzender der GDCF, fühlte sich bei den Mahnwachen vor der chinesischen Botschaft in Bonn an die NS -Zeit erinnert.

Herr Wickert hat gesagt, daß die Mahnwachen in dieser Form ihn an Mahnwachen vor jüdischen Geschäften in der NS-Zeit erinnerten, obgleich der Inhalt anders und unser Protest berechtigt sei. Er hat dazu aufgefordert, diese Mahnwachen einzustellen. Die betreffenden Ortsvereine haben das aber abgelehnt, daraufhin ist er zurückgetreten. Übrigens ist nicht nur er aus dem Beirat zurückgetreten, sondern auch auch Peter Scholl-Latour, Jockel Fuchs (SPD) und Hans-Joseph Theyßen, der Präsident der Adam-Schall-Gesellschaft. Alle drei halten die GDCF jetzt für eine Protestorganisation, und damit stimmen sie nicht überein.

Schon drei Monate nach dem Massaker scheint die Chinasolidaritätsbewegung zusammenzubrechen. An was liegt's?

Keine der bekannten Musikgruppen etwa wollte jetzt zur Demonstrationen in Bonn auftreten. Biermann sagte, er könne sich der Emotionalität der Chinasolidarität nicht anschließen. Das gleiche gilt für Politiker, die alle abgesagt haben - genauso wie die Gewerkschaften. Petra Kelly ist eine der wenigen Ausnahmen. Sie hat mir gesagt, daß man auch bei den Grünen die Ziele der Demokratiebewegung nicht so genau kenne.