Rushdie ist kein Einzelfall

■ Der PEN-Kongreß in Toronto debattierte Autorenverfolgung in Ost und West

Politische Hoffnungen angesichts des zunehmend entspannten Ost-West-Verhältnisses, aber auch Sorge um verfolgte Autoren und Journalisten in Ländern wie China und Südkorea prägten den ersten Teil des PEN-Weltkongresses in Kanada.

Autorenverfolgung ist derzeit insbesondere in Asien ein Problem. Der Vorsitzende des Komitees für inhaftierte Autoren, der Schwede Thomas von Vergesack, berichtete, daß seit der letzten Zählung von verfolgten Autoren in aller Welt 127 neue Fälle hinzugekommen, aber nur 72 Namen von der Liste verschwunden seien. PEN hat 358 Namen von verhafteten oder anderweitig verfolgten Schriftstellern oder Journalisten vorliegen. China sei vornehmlich für die Steigerung verantwortlich, aber auch in Südkorea habe sich die Lage (mit derzeit 41 inhaftierten Autoren) verschlechtert .

Unter den Ländern, die Anlaß zu „großer Sorge“ gäben, sei aber auch Kolumbien. Es gebe dort zwar keine gefangenen Autoren, aber konstante Bedrohung, so sei erst am 16. August der Journalist Guillermo Gomez Murillo ermordet worden. Einer der bewegendsten Augenblicke der Tagung, so sagte von Vergesack, sei die Beschreibung des Transfers von türkischen Gefangenen von einem Gefängnis zum andern gewesen. Zwei Menschen starben dabei. Positive Überraschung löste die Ankündigung des sowjetischen und polnischen PEN-Clubs aus, dem Komitee für inhaftierte Autoren beizutreten.

Der Kongreß billigte eine Empfehlung des Generalsekretärs über die Beziehungen zwischen Schriftstellern in Ost- und Westeuropa. Über künftige Treffen und Zusammenarbeit solle auf einer Konferenz west- und osteuropäischer Schriftsteller in Wien nach 1990 gesprochen werden, der der österreichische PEN vorbereiten möge. Carl Amery, Präsident des bundesdeutschen PEN-Zentrums sagte am Rande des Kongresses, den Schriftstellern Osteuropas, die zwar Repressionen unterlagen, aber gleichzeitig dank der staatlichen Kulturpflege sich nicht um Kommerz zu kümmern brauchten, müsse man in dieser schwierigen Übergangszeit bei der Begegnung mit dem Westen helfen. Amery zitierte einen polnischen Kollegen, der „Angst“ vor der neuen Offenheit zugegeben habe.

Angelika Mechtel erklärte über Korea: „Die Grausamkeit gegenüber den Intellektuellen scheint sich wieder dem Stand der Zeit vor den Olympischen Spielen anzunähern, obwohl es sicher kleine Fortschritte in den Bemühungen um einen Demokratisierungsprozeß gibt.“ Auch aus deutscher Sicht sei es wichtig, auf Menschenrechtsverletzungen in Korea hinzuweisen - „trotz oder wegen der guten wirtschaftlichen Beziehungen“.

Ganz diskret äußerst sich die Schriftstellervereinigung im Falle des wegen seiner „Satanischen Verse“ mit dem Tode bedrohten indisch-britischen Autors Salman Rushdie. Eine von PEN-Generalsekretär Alexandre Blokh vorgelegte und vom Kongreß gebilligte Empfehlung beschäftigt sich nur indirekt mit Rushdie, indem sie Fanatismus ausdrücklich verurteilt und dabei speziell Terrorismus im Namen des Islam heraushebt. Es sei ein neuer Angriff gegen die Ausdrucksfreiheit, wenn Verlagshäuser, Buchläden und Drucker Angst bekämen und Bücher anderer Autoren aus dem Islam nicht mehr zu veröffentlichen oder zu verkaufen wagten, sagte ein PEN-Sprecher. Rushdie sei beileibe nicht der einzige betroffene Autor. Moslemische Schriftsteller selbst stünden unter dauernder Beobachtung, einer „diskreten Form des Terrorismus“.

Die gute Nachricht kam in Toronto aus dem Osten. Zwar erscheint die Sowjetunion nach wie vor im Report über inhaftierte Autoren, und auf der Liste von zehn Langzeitgefangenen sind zwei Sowjetbürger, Leonid Lubmann und Bohdan Klimchak, zu finden. Statt herber Kritik wie früher war der Ton diesmal jedoch optimistisch angesichts der positiven Entwicklung in der UdSSR. Unvostellbar wäre noch vor kurzem die Bereitschaft zur Mitarbeit im Komitee für inhaftierte Autoren gewesen, wie sie jetzt der sowjetische Delegierte Arkadi Vaksberg ankündigte.

dpa