An den geliebtesten Sohn des Volkes

■ Wortlaut des offenen Briefes von Dan Desliu an Ceausescu (3. März 1989)

Herr Präsident,

Nach vierzig Jahren kann ich Sie nicht mehr Genosse nennen, denn der Leibeigene kann nicht Genosse seines Herren sein. Diesen Brief schicke ich über den Äther an sie, weil ich nicht glaube, daß viele der Protestbriefe, die Sie gewiß erhalten, jemals ihren Bestimmungsort erreichen. Ein früherer Protestbrief an Sie, in dem es um das „Systematisierungs-Programm“ ging, führte lediglich dazu, daß Post und Telefonanrufe an mich abgefangen wurden.

Vor 45 Jahren trat ich voller Stolz in die Kommunistische Partei Rumäniens ein, jedoch hätten weder ich noch meine Kollegen diesen Schritt getan, wenn wir gewußt hätten, daß eine Erbmonarchie nur durch eine Diktatur der Vetternwirtschaft ersetzt werden sollte. Das Problem liegt bei Ihnen und Ihrem anormalen Blick auf die Realität: Sie halten sich für den Besitzer Rumäniens und aller Rumänen, und bei all Ihrem Atheismus sind Sie ein in der Wolle gefärbter Mystiker. Sie scheinen zu glauben, Sie besäßen übermenschliche Kräfte, die Ihnen erlauben, Experten zu belehren - Maurer, Bauern, Maler - über Dinge, von denen Sie nicht das geringste verstehen. Ihre Mitbürger leben in Elend und Armut, während Sie Ihre Habgier kritisieren, Ihr eigenes Image dabei mit ständiger Propaganda polieren, und Ihren Schlägern befehlen, uns aus dem Weg zu räumen, damit Sie wie ein Großfürst durch die Stadt fahren können. Nicht einmal die Könige haben das gewagt.

Wenn andere Länder gerechtfertigte Sorge äußern über die Menschenrechte in Rumänien, dann schreien Sie, das sei Einmischung in die Angelegenheiten des Souveräns, als steckten sie die Hände in Ihre Taschen, um an Ihrem exklusiven Eigentum zu fummeln. Obwohl dieselbe Verfassung, die zu achten Sie einst geschworen haben, die Menschenrechte schützt, mißbrauchen Sie sie zynisch dafür, Ihre Kritiker zum Schweigen zu bringen durch Verletzung ihrer Privatsphäre und Zerstörung ihres Zuhauses. Die Angst derjenigen, die Sie unterstützen, wird nur noch übertroffen von Ihrer eigenen Furcht vor dem Volk - daher die permanente Wache um Sie herum. Der „geliebteste Sohn des Volkes“ ist in Wirklichkeit der am schwersten bewachte.

Dennoch aber ist es das Volk, das leidet, um den Preis der wirtschaftlichen Fehler zu bezahlen, die Sie gemacht haben, und die pharaonischen Denkmäler, die Sie sich zu errichten suchen. Einen Teller oder ein Schmuckstück außer Landes zu bringen ist ein Verbrechen gegen das nationale Erbe, während ihr „Aufbau„-Programm die ältesten Gebäude des Landes zerstört und die, in denen unsere Helden geboren wurden. Und das nur, um dürftigen Hühnerställen Platz zu machen, deren einziger Zweck es ist, den Geist vertrocknen zu lassen.

Was ist mit denen, die anders denken? Sie sind Feinde und müssen eingesperrt werden. Sehen Sie nicht, daß ein wirklicher Staatsmann die Debatte fördern muß, daß dies der einzige Weg ist? Aber nein, die Guten verlassen das Land und Rumäniens Prestige zerfällt weiter, im Osten so gut wie im Westen. Oder die Guten sterben unter der Folter, wie ein guter Freund von mir vor drei Jahren - und viele andere mehr. Was Doina Cornea betrifft, so würde sich Ihre eigene Mutter im Grabe umdrehen, wenn sie wüßte, was diese tapfere und aufrechte Frau erleiden muß.

Ich für meinen Teil bin weder ein Feind noch ein Dissident, nur jemand mit einer anderen Meinung. Was wird mit mir passieren? Da ich schon seit Jahren vor Ekel aufgehört haben zu schreiben, können Sie mir mit einem Publikationsverbot nichts mehr anhaben. Die Partei habe ich verlassen, als Sie die Schriftstellergewerkschaft zerstörten. Vielleicht findet mein Leben ein Ende durch einen unvorsichtigen Autofahrer, eine Bande aufrechter Patrioten oder durch eine ihrer so diskreten „Behandlungen“ durch Radioaktivität. Wir werden sehen.

Erinnern Sie sich an unsere letzte Begegnung 1980? Da erzählte ich Ihnen eine Geschichte: Die Sonne und der Nordwind schlossen eine Wette ab, wem es gelänge, einem rumänischen Bauern den Mantel auszuziehen. Der Nordwind blies und blies, aber der Bauer schnürte den Mantel nur noch enger; die Sonne jedoch lächelte ihn nur an - und schon warf er den Mantel ab. Sie lachten damals über diese Geschichte, und ich dachte, die Botschaft sei vielleicht angekommen.

Es scheint, daß meine Hoffnung vergeblich war. Möge man mir diese Hoffnung verzeihen. Dan Desli