Gängige Boeings bis 1995 ausverkauft

■ Auch renommierte Fluggesellschaften können sich nur noch durch Leasing weiterhelfen / Trotz schon heute sichtbarer Verstopfung des Lauftraumes: Prognosen gehen bis zum Jahr 2000 von einer Verdoppelung der Weltpassagierzahlen aus / Lufthansa: „Mit vollen Hosen ist gut stinken“

Frankfurt (dpa) - Der Boom im Weltluftverkehr hat auch die Nachfrage nach neuen Flugzeugen gewaltig beflügelt. Die großen Hersteller von Zivilmaschinen kommen mit der Produktion kaum noch nach, Lieferfristen von einigen Jahren sind inzwischen normal. Bei Boeing sind die Typen 737 und 757 bis 1995 ausverkauft. Auch wer einen Airbus A320 oder eine MD80 von McDonnell Douglas bestellt, muß sich jahrelang gedulden. Dem aktuellen Bedarf vorausgreifend, ordern Fluggesellschaften deshalb Maschinen, die sie heute noch gar nicht brauchen. Immer mehr kommen dabei Leasingfirmen ins Geschäft.

Prognosen für die Weltluftfahrt gehen davon aus, daß sich die Passagierzahlen bis zum Jahr 2000 etwa verdoppeln. Dem Zuwachs an Verkehrsaufkommen entspricht ein zusätzlicher Bedarf von 7.000 bis 10.000 Maschinen. Investitionen in gigantischer Größenordnung sind dabei im Spiel. Schätzungen gehen von 400 Milliarden US-Dollar aus, nach heutigem Kurs etwa 760 Milliarden DM. Immer weniger Airlines wollen oder können diese immensen Summen auf den Tisch legen. Kaum eine ist noch Eigentümer aller ihrer Flugzeuge. Denn was inzwischen schon Privatleuten beim Autokauf recht ist, das ist vielen Fluggesellschaften längst bei der Flottenfinanzierung billig: Sie fliegen mit gemieteten Maschinen.

Große Leasingunternehmen nutzen diese Entwicklung. Allein die irische Guiness Peat Aviation (GPA), die derzeit 170 Flugzeuge an 64 Luftverkehrsgesellschaften in 32 Ländern vermietet, hat für die nächsten zehn Jahre mehr als 800 neue Maschinen bestellt: von der Fokker 100 bis zum Riesen-Jumbo. Andere bedeutende Unternehmen in diesem Bereich sind die International Lease Finance Corporation (Los Angeles) und Polaris Aircraft Leasing (San Francisco), die nach jüngsten Großaufträgen in Zukunft auch jeweils 300 Jets in ihrem Bestand haben werden - mehr als die meisten heutigen „Mega -Carrier“.

Abnehmer für die Mietjets gibt es genug. „Für viele Newcomer ist Leasing die Einstiegschance überhaupt. Mit gemieteten Maschinen verfügen sie aus dem Stand heraus über beachtliche Kapazitäten“, sagt Ewald Mösch, Direktor für Finanz- und Rechnungswesen bei der Lufthansa. Doch nicht nur Neulinge wie Euroberlin France oder German Wings greifen zum Mietjet, auch große internationale Gesellschaften sind dabei. Bei Singapore Airlines ist es gut die Hälfte der Flotte. Die amerikanische Delta hat 42 Prozent ihrer Jets geleast, American Airlines 38 Prozent. Bei Air France sind 30 Prozent, bei British Airways 24 Prozent der Maschinen nicht im Firmen-Eigentum.

Die Deutsche Lufthansa gehört laut Mösch bislang „zu den wenigen Airlines, die in ihrer Flotte noch kein geleastes Gerät betreiben“. Im härter werdenden Wettbewerb sieht der Finanzexperte darin Vorteile für das Unternehmen. Neue Flugzeuge werden bei Lufthansa („eine starke Position“) traditionell finanziert und abgeschrieben. „Mit vollen Hosen ist gut stinken“, umschreibt Mösch die Situation augenzwinkernd aus seiner Sicht. Dagegen komme „der Leasingnehmer sofort an die Liquiditätsgrenze, wenn's eng wird“.

Während Airlines mit eigenen Flugzeugen durch Abschreibungen „Geld verdienen“ können, müssen Konkurrenten mit Mietjets den in der Mietrate enthaltenen Tilgungsanteil „bar hinlegen“. Sollten wegen rückläufiger Flug- und Frachttarife die Betriebsergebnisse aber schrumpfen, „dann müßte Lufthansa schlechtestenfalls die Erneuerung der Flotte ausdünnen oder verschieben“. Gesellschaften mit geleasten Maschinen könnten aber „den unseren Abschreibungen entsprechenden Teil der Leasingraten nicht mehr bezahlen“, sagt Mösch. Sie müßten ihre Kapazität reduzieren, d.h. Flugzeuge zurückgeben.

Inzwischen ist auch die Lufthansa im Vermietgeschäft engagiert. Sie hält 40 Prozent der Anteile an der neuen „Lufthansa Leasing GmbH“ (LLG). Die LLG soll die Vermarktung von Lufthansa-Gerät „im Leasing“ übernehmen und dabei den Bedarf an Flugzeugkapazität bei der deutschen Staatslinie flexibel steuern helfen. „Wir sind dazu übergegangen, Vorratspositionen zu bilden“, erzählt Mösch. So plant die LLG, acht Maschinen des Typs Boeing 757 „für die LH -Chartertöchter und Joint-ventures“ zu bestellen. Auch diese Maschinen werden erst in den neunziger Jahren geliefert.

Als erstes Geschäft ist der LLG die „Weiterbeschäftigung“ von zwei Jumbos B747 innerhalb des Lufthansa-Konzerns übertragen worden. Die beiden Jumbos, bislang als kombinierte Passagier- und Frachtversionen unterwegs, werden nach Umbau zum „Vollfrachter“ zur Lufthansa-Tochter German Cargo Service auf dem Wege des „sale and lease back“ (Verkauf und Zurückmietung) gehen. „Ein gutes Geschäft“, meint Mösch zufrieden unter Hinweis auf die „derzeit guten Preise“ für gebrauchte Boeing 747.