Rau pokert hoch

■ NRW-Kommunalwahl am Sonntag wird zum entscheidenden Stimmungstest

Knapp 13 Millionen Wahlberechtigte werden am Sonntag in NRW zur Urne gerufen. Schon allein die Zahl sorgt für bundesweite Aufmerksamkeit. Das demoskopische Tief der CDU, die erstmals unter der Führung von Norbert Blüm antritt, die Kandidatur der Reps und die Mehrheitsträume der SPD in bezug auf die kommende Landtagswahl sorgen zusätzlich dafür, daß die politische Kaste in diesem Jahr besonders erregt nach Düsseldorf schaut. Bei dieser Wahl wird über mehr entschieden, als über die Zusammensetzung der Gemeinde- und Stadträte.

Während die CDU mit Verlusten rechnet - die Frage ist nur, ob es eine schlichte Niederlage oder ein Desaster gibt -, hoffen die Grünen, mit einem guten Ergebnis die Chancen für den Einzug in den Landtag im nächsten Jahr wahren zu können.

Rau, der die Ökologen auch künftig am liebsten draußen sähe, hat mit seiner jüngsten, definitiven Absage an die grüne Partei eine neue Situation geschaffen. Die Grünen, das ist Raus Message an seine Wähler, spielen machtpolitisch keine Rolle. Wer für sie votiert, wählt Rau unausgesprochen nicht mehr gleisam mit, sondern entscheidet sich gegen den jetzigen Ministerpräsidenten. Dadurch geraten jene wankelmütigen SPD-Wähler, die die Grünen gern als Antreiber in einer rot-grünen Koalition sähen und eine Unterstützung erwogen, in einen schweren Konflikt. Mit seinem aktuellen Vorstoß will Rau genau diese grünangehauchte sozialdemokratische Klientel - die abzuwerben sich die Grünen einige Chancen zu Recht einräumten - zu einer Entscheidung für die SPD zwingen. Auf der anderen Seite werden viele schwankende CDU-Wähler, so Raus Kalkül, seine Eindeutigkeit mit einer Stimmenabgabe für die SPD belohnen. Seine uneingeschränkte Festlegung zeigt, wie stark er sich fühlt.

Für die Grünen hat Raus Coup schwerwiegende Auswirkungen. Ihr Werben für ein rot-grünes Bündnis läuft mangels Partner ins Leere. Der Streit darum ist in NRW ab sofort müßig. Gleichzeitig birgt das brüske Nein aber auch Chancen, ein eigenes Profil als Oppositionspartei zu entwickeln. Die Rau -SPD, die die ökologische Erneuerung fortwährend auf den Lippen führt, wird, soviel ist jetzt klar, bei einem Verlust der Mehrheit eher mit der FDP oder der CDU noch mehr Straßen, noch mehr Müllverbrennung und noch mehr Polizei realisieren, als mit den Grünen einen tatsächlichen ökologischen Umbau zu versuchen.

Eine minimale Chance dafür, das alles ganz anders kommt, liegt allein noch bei der SPD selbst. Die Frage ist, ob Rau für seinen Ausgrenzungskurs mit der uneingeschränkten Loyalität der gesamten Partei rechnen kann. Eine Koalition mit Blüm, der gerade noch als der Politiker des sozialen Kahlschlages gebrandmarkt wurde, oder mit den in NRW besonders fanatischen Wendepolitikern von der FDP, wäre für einen Großteil der SPD wohl kaum hinnehmbar. Jedenfalls dann nicht, wenn eine realistische Alternative mittels der Grünen rein rechnerisch möglich erschiene. Beträte dann ein anderer gewichtiger Sozialdemokrat den Ring, geriete der heute noch völlig unumstrittene Johannes Rau sicher mächtig unter Druck. Nur über diesen Weg, auf den die Grünen am allerwenigsten Einfluß nehmen können, ließe sich Rot-Grün in NRW noch verwirklichen. So schnell zerrinnen grüne Träume.

Walter Jakobs