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Kein Amateurbonus mehr

■ Die hessischen Grünen müssen sich programmatisch und organisatorisch erneuern

Joschka Fischer hat seiner Partei in Bad Hersfeld unbequeme Wahrheiten ins Gesicht gesagt. Ausgestattet mit einer Programmatik und mit Strukturen, in denen sich der utopistische Geist der späten siebziger und frühen achtziger Jahre widerspiegele, sei die Partei dabei, zum „reinen Wahlverein“ zu verkommen. In der Tat: Bis hinunter in die Kreisverbände hat sich bei den Grünen in Hessen vielfach eine Diktatur der Mittelmäßigkeit etabliert, in der - Pankow läßt grüßen - Erneuerungsdebatten auf der programmatischen und auch auf der personellen Ebene mit dem Kainsmal eines „konterrevolutionären Interventionsversuchs“ ausgestattet und ihre Initiatoren als „Störenfriede“ ausgegrenzt werden.

Die Etablierung der von Fischer eingeklagten „Streitkultur“ - und dabei geht es nicht um den prähistorischen und leidigen Streit zwischen „Fundis“ und „Realos“ - ist bislang von den fest etablierten Parteistrukturen verhindert worden, die nicht wenigen Mandats- und Würdenträgern der Partei ein bequemes Leben innerhalb der fest abgesteckten politischen Terrains garantieren. Doch die Zeiten, als es für dilettantische oder auch schlicht unzeitgemäße Auftritte von Grünen auf den politischen Bühnen der Republik beim Publikum noch den Anfängerbonus gab, sind vorbei.

Der profillose Landesvorstand hat - in „Kombination“ mit den ausbleibenden Impulsen von der Parteibasis - die Landtagsfraktion in Wiesbaden zwangsläufig zum Alleinunterhalter in Sachen ökologisch-sozialer Reformpolitik werden lassen. Die Spannungen innerhalb der Fraktion sind deshalb auch Resultat der programmatischen Auseinandersetzungen im grünen Mikrokosmos Landtagsfraktion und nur bedingt auf die Profilierungsneurosen der „Fischer -Gang“ zurückzuführen.

Wenn es der Partei nicht gelingt, eine den aktuellen politischen Verhältnissen angepaßte Programmatik zu entwickeln und über eine erhebliche Steigerung der Attraktivität der Basisorganisation (Orts- und Kreisverbände) die personelle Auszehrung zu verhindern, gehen die Grünen schweren Zeiten entgegen. Eine „funktionierende Partei“ (Fischer) mit klaren Strukturen ist das Gebot der Stunde. Die Grünen machen sich sonst auch mitschuldig an der vielzitierten Politikverdrossenheit, die

-so die Analyse auch bei den Grünen - gerade Jugendliche in die Arme der rechtsradikalen Rattenfänger treibt.

Klaus-Peter Klingelschmitt

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