Nicaraguas Indianer wollen nach Hause

Der Krieg zwischen Indianern und Sandinisten an der Atlantikküste Nicaraguas ist zu Ende / Die Miskito-Führer sind am Freitag in Managua eingetroffen / 7.000 Indianer warten in Costa Rica auf ein Schiff, das sie in ihre Heimat zurückbringt  ■  Von Robin Schneider

Limon, Costa Rica (taz) - „Sie haben uns ausgenutzt, sie haben uns wie Marionetten tanzen und sterben lassen, die Gringos der CIA.“ Coyote spricht heute bitter über seine Kriegserfahrungen und über die Reagan-Regierung, die die Fäden zog. Jetzt geht der Krieg um Nicaragua auch in den Indianergebieten der Atlantikküste zu Ende. Brooklyn Rivera und Stedman Fagoth, die Führer einer Miskito-Guerilla, deren Truppenstärke zuletzt gegen Null tendierte, sind am Freitag in Managua eingetroffen. Und auch die heute noch maximal 35.000 indianischen und afroamerikanischen Flüchtlinge in Honduras sowie die etwa 7.000 in Costa Rica wollen nach Hause.

Zu lange hat der 1982 begonnene Krieg gedauert, und zu viele sind gestorben - das sagen heute alle, ob im Exil oder in der östlichen Landeshälfte Nicaraguas. Aber Coyote, der „Wildhund“? Lange wußte niemand, wer hinter dem Kriegsnamen des Guerillachefs und seines Sub-Comandante Conejo, dem „Kaninchen“, steckt: Es sind die Rama -Indianer Fernando und Victorino Mac Crae, die südlich der Hafenstadt Bluefields das sandinistische Heer in Schrecken versetzt hatten und die Stadt im Mai 1985 sogar ein paar Tage lang besetzt hielten. „Mit nur 50 Mann und viel zu wenig Munition sind wir nach Bluefields geschickt worden. Und das Contra-Kommando am Escondido-Fluß hat uns im Stich gelassen: Alles 'Spanier‘, Ladinos von der Pazifikseite, die sich einen Dreck darum scheren, ob wir Indianer verrecken. Das war ein Selbstmordunternehmen, und wir sind darauf reingefallen.“

Comandante Lumberto Campbell, Delegierter der Sandinistischen Befreiungsfront FSLN für die südliche Atlantikküste, spricht mit gewisser Achtung von den indianischen Kämpfern, die im tropischen Regenwald dem Sandinistischen Heer zeitweilig einen klassischen Guerillakrieg lieferten. Seit zwei Jahren kam es allerdings kaum mehr zu größeren Gefechten an der Atlantikküste. Einzelne Kampfverbände der Miskitos haben sich mit den Sandinisten arrangiert, den übrigen ist das Fußvolk nach und nach weggelaufen. Mit Brooklyns Annahme des Amnestieangebots der Regierung und seiner Rückkehr nach Nicaragua hat der Krieg an der Atlantikküste nun auch sein formales Ende gefunden. Bei den für den 25.Februar angesetzten Präsidentschaftswahlen will Brooklyns Ex-Guerilla Yatama weder Präsident Ortega noch die Verlegerin Violeta Chamorro, die für das Oppositionsbündnis UNO kandidiert, unterstützen, sondern Erick Ramirez, den Präsidentschaftskandidaten der „Sozialchristlichen Partei“.

Keine Bevölkerungsgruppe Nicaraguas ist vom Krieg so überrollt worden wie die nur 800 Rama-Indianer. „Wir sind eine der kleinsten Nationen des Planeten“, sagt Dorfführer Rufino Omeir, „und unsere Brüder und Schwestern haben zuviel gelitten“. Ein Zehntel aller Rama ist ins Ausland geflüchtet. Die übrigen mußten zum Teil für mehrere Jahre in Bluefields Schutz suchen, für sie eine feindliche Stadt, wo sie am untersten Ende der ethnischen Hierarchie - Ladinos, Afroamerikaner, Indianer - stehen.

Viele junge Burschen ließen sich seit 1982 von Brooklyn Rivera für die indianische Guerilla rekrutieren. In heftigen Kämpfen wurde das Hauptdorf der Rama, die Laguneninsel Rama Cay mehrfach angegriffen und zum Teil zerstört; auch Kinder und Frauen starben. Coyote bekennt heute, daß er sich zwar nicht vor den Sandinisten fürchtet, aber vor seinen eigenen Leuten. Denn er hat einen Rama erschossen, der sich auf die Seite der Sandinisten gestellt hatte.

Die Flüchtlinge leben heute verstreut an der costaricanischen Atlantikküste. Viele haben Arbeitsverbot, und fast 500 sind noch in einem Lager an der Einfahrt nach Limon, der größten Hafenstadt des Landes. Das Lager ist von bewaffneter Polizei umstellt. Nachdem Gerüchte aufkamen, ein Dutzend junger Miskito sei für eine neue Contra gegen Panamas Militärchef Noriega angeheuert worden, wurden sämtliche jungen Männer aus dem Flüchtlingslager an die nicaraguanische Grenze gebracht. Die Regierung in der costaricanischen Hauptstadt San Jose hat sogar angekündigt, das Lager ganz schließen zu wollen - ohne eine Alternative anzubieten. Und im UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) weiß noch niemand, wie die Rückkehrwilligen in ihre Heimat gebracht werden können. Denn die meisten Flüchtlinge möchten mit Schiffen zurück und keinesfalls den langwierigen und bürokratischen Weg auf dem Umweg über die beiden Hauptstädte fahren.

Weit unbürokratischer als das UNO -Flüchtlingshochkommissariat kann vielleicht ein Miskito -Flüchtling der Rama-Familie helfen: Rudi Sinclair. „Wir haben eine moralische Verpflichtung zu helfen und müssen versuchen, die Wunden, die der Krieg und der Hurrikan geschlagen haben, wieder zu heilen“, sagt der Indianer auf seiner Reise durch die Flüchtlingslager immer wieder.

„Mister Rudi“, wie ihn hier alle nennen, hat schon vielen seiner Landsleute geholfen. Er hat nach dem Hurrikan, der Ende Oktober vorigen Jahres Bluefields und Corn Island zerstört hat, das „Nothilfe-Komitee für die nicaraguanische Atlantikküste“ ( CEPACAN) gegründet und die Seetransporte der großen Hilfswerke von Limon nach Bluefields organisiert. Nebenbei hat er Briefe und Päckchen zwischen Flüchtlingen und ihren Familien hin- und hergeschickt und über 300 Flüchtlinge, meist mit Fischkuttern, wieder in ihre Heimat gebracht. Innenminister Tomas Borge, den Rudi im Mai bei Verhandlungen zwischen der Miskito- Guerilla und der FSLN kennengelernt hatte, gestattete ihm, die Indianer zurückzuführen. Die Rückkehrer durften - ganz unbürokratisch - ohne Papiere wieder einreisen.