Ich war eine Kartoffel

■ Eine Ausstellung des Deutschen Werkbundes über Müll

Das Schaufenster ist eine Schräge, eine Halde, eine Kippe. Die Räume betreten sich leicht, reinweiß zwischen den Stellwänden, Betonboden, Objekte, mit reinlichen Schriftzügen deklariert. Der Schmuddellook anklagender, penetrant belehrender Müll-Collagen protestierender Bürgerinitiativen ist getilgt. Hier haben sich Profis des Themas angenommen. Wie gut! Müll kann ja so ästhetisch sein.

Im Ernst, ist er auch. Was die KünstlerInnen in der Werkbund-Ausstellung präsentieren, wirkt dadurch, daß es nicht manieriert aufklärt, droht, die Anklage ist selbstironisch. „Weggeworfen wurde schon immer...“, belegen angeschlagene antike Öllämpchen. Archäologen wissen das und schätzen den Abfall. Aber: “...Umweltbelastung ist neu“. Coca-Cola-Dosen, die Ikonen der Moderne, stehen dafür. „Die Natur kennt kein Wegwerfen?“ Immerhin recycelt sie den Überfluß. „Der weiße Traum“ - Verpackungen aus Polystyrol türmen sich. Nebenan rattert der „Moloch Konsum“ von Peter Schirmbeck glotzäugig vor sich hin. Aus seinem Waschmaschinentrommelmaul quellen Scheibenwischer, eine Sammeltasse, Singles. Er zittert dabei ganz erbärmlich janusköpfig. „Pampersboom“, medizinischer Abfall, ein gedeckter Tisch, der mit seinem Unrat jeder Wohngemeinschaft die Ehre machte - Ovomaltine und Fleischsalat. In der Abteilung „Daheim und unterwegs“ ist endgültig klar: den meisten individuellen Müll verwalten offensichtlich die Frauen. „Jugendfrische: Was im Bad pro Jahr pro Frau so abfällt...“ Zehn Zahnbürsten und nur drei mal Zahnpasta? Vom Klopapapier ganz zu schweigen.

45 verpackte Produkte reihen sich in einer Kette aneinander: „Ich war... z.B. eine Kartoffel.“ Diese Sammlung von Fertiggerichten, Knödeln, Kochbeuteln und Kroketten ist nicht ganz auf dem neuesten Stand - es fehlen diese sechseckigen Kartoffelchips. Oh Mann, oh Frau - zum Wegwerfimage fiel den Ausstellern ein: „Die Modefarbe der Einbauküchen in diesem Herbst ist taubenblau“, + Schlankheitswerbung.

Ebenso schön wie die zerknittert drapierten privaten Geschenkpapierorgien der Schaukästen mit dem Luxusfeuerzeug + Schmuckschachtel + Schutzkarton + Goldpapier nebst Schleife + Lacktüte + Plastiktüte. Nur noch eins wird verraten - der Begleittext neben einer ausgeblichenen, zerrissenen Jeans: „Künstlich gealterter Fetisch. Diese Jeans sind neu gekauft. Nach Beendigung der Ausstellung werden sie einen Besitzer finden, der Bedarf an Gebrauchsspuren hat. Damit vollbringt er Pionierleistung, treibt Rinder zusammen, legt die Füße auf den Tisch und fühlt sich irgendwie gut.“

Die Ausstellung ist bis zum 21.Dezember zu sehen. Sie ist Teil einer Serie von Aktionen und Veranstaltungen im Main -Neckar-Gebiet. Dazu gehört ein spannender und intelligenter Katalog, in dem junge Künstler über sich und die Umwelt reflektieren - mit einem Register von Adorno bis Wiederverwertung. Letztere taucht auch als unfreiwillige Komik auf. Dem Grußwort des Schirmherrn, Bundesumweltminister Töpfer, steht ein Zitat von Arthur Schopenhauer zur Seite: „In der Regel wird man finden, daß diejenigen, welche schon mit der eigentlichen Not und dem Mangel handgemein gewesen sind, diese ungleich weniger fürchten und daher zur Verschwendung geneigter sind als die, welche solche nur vom Hörensagen kennen.“

Heide Platen

Kunst ist Kunst und Müll ist Müll. Müll Kunst: „ex und hopp - Das Prinzip Wegwerf“, eine Ausstellung des Deutschen Werkbundes in der Frankfurter Weißadlergasse4.