Rubbeln für den Staat

Rekord-Spielleidenschaft / Hessen vorn  ■ Hessens Etat mit FORTUNA auf du und du

Von K.-P. Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Die als solide geltenden Deutschen sind eigentlich ein Volk von Zockern: Während sich in Hessen in den Spielbanken von Bad Homburg und Wiesbaden das Rouletterad nicht mehr nur für die „upper class“ dreht und auch in Frankfurt-Niederrad verstärkt „Kreti und Pleti“ auf schnelle Gäule setzen, türmen sich auf den Konten der Lotterie-Treuhandgesellschaft mbH Hessen die Gelder der Lotto-, Toto- und Rennquintettspieler und der Rubbler. Die staatliche Gesellschaft, in deren Aufsichtsrat sich gleich vier Ministerialdirigenten und -räte der hessischen Landesregierung tummeln, ernannte das vergangene Geschäftsjahr zum „Rekordjahr“: 822 Millionen DM scheffelten Tipper und Rubbler in die Kassen der Treuhandgesellschaft eine Steigerung von 4,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Pro Kopf und Woche verspielte jeder Hesse - statistisch - exakt 2,80 DM - zehn Pfennige über Bundesdurchschnitt.

Die Spielleidenschaft seiner Bürger dürfte den hessischen Finanzminister Manfred Kanther (CDU) in Entzücken versetzt haben. Der „Stahlhelmer“ aus dem Wallmann-Clan konnte 1988 genau 275,8 Millionen DM an Wett- und Lotteriesteuern in den Staatssäckel stecken. Der Landessportbund Hessen erhielt 27,6 Millionen DM, der Hessische Fußballverband 0,5 Millionen, die Liga der freien Wohlfahrtsausschüsse 7,3 Millionen DM und der Verein zur Förderung der Vollblut- und Traberzucht noch 40.000 DM. Fast die Hälfte des gesamten Umsatzes wurde 1988 als Gewinnausschüttung zurückgezahlt.

Während im Zahlenlotto und -toto die Umsatzsteigerungsraten im Vergleich mit den Vorjahren relativ konstant blieben (und bei der Glücksspirale gar ein Minus von 15,7 Prozent erwirtschaftet wurde), schlug das Rubbellos alle Rekorde. Mit einem neuen Konzept haben die Rubbel-Strategen der Treuhandgesellschaft eine Umsatzsteigerung von 47,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr erzielt. Der Gewinnplan wurde dahingehend geändert, daß mehr Kleingewinne ausgeschüttet werden. Dazu kam die Fernsehauslosung der freigerubbelten Freilose, bei der die Teilnehmer einen Kururlaub in einem hessischen Staatsbad, eine Lambretta oder einen hessischen Opel mit Katalysator gewinnen konnten - alles begleitet von einer penetranten Werbekampagne.

Parallel zum Attraktivitätsverlust von König Fußball im langweiligen Bundesligajahr 1988 gingen die Umsätze beim Toto (Ergebniswette) zurück - von 12,5 Millionen DM in 1987 auf 11,8 Millionen DM im Berichtsjahr. Alte Hazardeure wissen ohnehin, daß beim Toto nicht viel zu holen ist: Wer ernsthaft seinen Tippzettel ausfüllt, wer also die Ergebnisse der samstäglichen Bundesligaspiele nach dem höchsten Wahrscheinlichkeitsgrad prognostiziert hat, der muß sich seinen Tip mit Tausenden teilen. Entsprechend fallen die Quoten in den Keller. Und: Idiotentips führen nur dann zum Erfolg, wenn in den Stadien auch tatsächlich idiotisch gespielt wird. Von 122.040 Gewinnen entfielen deshalb beim Toto nur ganze 902 Gewinne auf den ersten Rang - bei oftmals mageren Auszahlungsquoten.

Die Steigerungsraten bei den Spielteilnehmern und bei den Umsätzen zwingen die Treuhandgesellschaft dennoch, in diesem Jahr einen neuen Rechner der Generation VAX 6310 anzuschaffen. Außerdem ist die Erweiterung der Plattenkapazität durch neue Plattenlaufwerke mit erheblich höherem Speichervolumen vorgesehen.