Das Strom-Zündeln geht weiter

■ Koalitionsausschuß tagte ergebnislos / AL bezweifelt die Rechtsverbindlichkeit des Stromlieferungsvertrags / SPD hat Angst vor politischen Abenteuern

Der Koalitionsausschuß ist gestern abend wie das Hornberger Schießen zu Ende gegangen. In diesem Gremium, das unregelmäßig zusammentritt, wenn größere Konflikte innerhalb der Koalition entstehen, wurde gut zwei Stunden lang über die Lage diskutiert, die nach den beiden Beschlüssen der AL -Mitgliederversammlung entstanden waren. Zu den Teilnehmern gehörten Walter Momper, ein Teil des Senats, die jeweiligen Fraktionsvorsitzenden, Vertreter des Parteivorstands sowie Mitglieder des Spandauer Aktionsbündnisses gegen die Stromtrasse.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Staffelt und die AL -Fraktionssprecherin Bischoff-Pflanz schilderten den Verlauf der Diskussion im Anschluß so: Die AL und die SPD hätten zunächst ihre gegensätzlichen Standpunkte zum Bau der Stromtrasse noch einmal ausgetauscht, ohne eine Einigung zu erzielen. Die AL-Vertreter trugen der SPD vor, daß sie die Rechtsverbindlichkeit des Stromlieferungsvertrages, den die Bewag mit der PreussenElektra geschlossen hatte, in ihren Augen „nicht so eindeutig“ sei, und drängte auf eine erneute rechtliche Prüfung. Die SPD betonte wie erwartet, daß sich an ihren grundsätzlichen Standpunkten nichts verändert habe: Bei der Stromtrasse gebe für die SPD keine Diskussion über das Ob, sondern lediglich über das Wie, betonte Staffelt. Den Gerichtsweg schloß die SPD in der Sitzung ebenfalls aus. Der Senat würde sich damit auf ein politisches Abenteuer einlassen, weil ein Prozeß gegen die Bewag höchstwahrscheinlich nicht zu gewinnen sei. Die SPD bot der AL daraufhin an, eine Arbeitsgruppe einzusetzen, um zu klären, wie in der Stadt „trotz Stromtrasse“ eine vernünftige Energiepolitik zu realisieren sei. Die AL konnte sich zu diesem Vorschlag in der Sitzung nicht äußern, weil sich zunächst der Delegiertenrat mit dieser neuen Situation befassen muß. Der Beschluß der MVV verbietet den AL -Funktionären die kleinere Lösung, bekannt als „110-kV -Vorschlag“ (kleinere Kapazität, unterirdische Stromleitung) weiterzuverfolgen.

Beim kommunalen Ausländerwahlrecht hat sich die SPD offenbar damit abgefunden, daß die AL den gemeinsam erarbeiteten Gesetzentwurf am kommenden Freitag ins Parlament einbringen wird. Wie es hieß, könne die SPD damit leben, weil der Gesetzentwurf ohnehin erst Ende Oktober im Abgeordnetenhaus debattiert werde (dies ist das Resultat der Geschäftsordnung) und damit das Urteil des Bundesverfassungsgerichts dazwischenliege. Die SPD hatte sich offenbar auf die Sprachregelung geeinigt, daß sie das alleinige Vorgehen ihres kleinen Koalitionspartners noch nicht als „Präzedenzfall“ betrachtet.

Ursel Sieber