MONSTRÖSE VERBRÜDERUNG

■ „Ralf Ralf“ im Tempodrom zeigen „The Summit“

Das sind die Männer in grauen und blauen Anzügen, dieser Tuchware, die keine Körper mehr hergibt, nur funktionierende Wesen, zivilisiert bedeckt. Männer, die sich bei jeder Begegnung mißtrauisch fixieren und in Abwehr- und Kampfstellung hin- und herschwingen, dabei die Bedrohlichkeit des Gegenübers genau erkennen, weil sie im Bilde sind über die eigene Aggression. Männer, die sich als Puppen an Fäden erleben und die Drahtzieher in sich spüren und außer sich plaziert haben: als Chef, als Führer, als einzige Idee von der Macht. Männer, die ihre Wortgeschosse genau plazieren; Männer, die das eine Gefühl vorspiegeln und das andere in der Hinterhand halten; Männer, die locken, versprechen, abwehren, einladen, zuschlagen und liebäugeln eine Palette begrenzter Möglichkeiten. Und die Reden und Gesten verstehen wir, selbst wenn wir sie nicht verstehen, denn wir wissen, daß sie nichts sind als Lügen.

Zwei dieser Männer treffen sich jeden Abend im Tempodrom zum „Gipfel“, das britische Komikerduo „Ralf Ralf“, die Brüder Barnaby und Jonathan Stone. The Summit heißt ihr Einstundendrama; die Bühne zeigt das politische Parkett mit Verhandlungstisch, Konferenzsessel und Rednerpult. Dazwischen bewegen sich die beiden, ganz schnell, in Phantasiesprache, singend, Rhythmen schlagend, Tanzschritte als Kampfschritte gesetzt, über den Tisch flankierend, mit Rednerpult als Schild und Lanze zugleich im Einsatz. Ein einziges Spiel von Annäherung und Übers-Ohr-hauen, von monströsem Mißtrauen und Geheimniskrämerei, von unbescholtener Sympathie und komplizenhafter Verbrüderung, die im selben Moment umschlägt in zornigen Haß und mitleidlose Konkurrenz.

Vorgespielt wird uns das Gipfeltreffen der Politiker, und wir können uns vorstellen, daß es so passiert bei den Großen und Mächtigen, auf Konferenzen, bei Kamingesprächen und Waldspaziergängen, zur Unterhändlerdiplomatie und Aufteilung der Hemisphären. Nichts dabei überrascht uns, schließlich kennen wir unsere Fernsehbilder. Das Lachen kommt hoch in der höchsten Verzückung des Wiedererkennens und als Saure-Trauben-Glück, daselbst nicht zu sein, nicht dazuzugehören, keiner von denen zu sein.

Dabei sind wir es, auch wenn es „Ralf Ralf“ leichtmachen, uns davonzustehlen. Wir sind es dennoch, auch ohne Anzug und Weltbühne, wir sind es als Männer und Brüder. So ist unser männliches Gegenüber, und so sind wir zwei in einem. Die brillante Darstellung der beiden Engländer - mit genauer Mimik, einem Blick, der sitzt, und zielsicheren Tönen - will uns darüber hinweghelfen mit dem vielen Lachen, damit wir von den Stühlen fallen, um nicht in denselben zu versinken.

Elmar Kraushaar

Ralf Ralf: The Summit, bis Mittwoch, 11.Oktober (außer Sonntag) um 20 Uhr, Tempodrom