Schewardnadse in Nicaragua

Die Sowjetunion hat ihre Waffenlieferungen an Nicaragua eingestellt / Nun springt - offenbar zum Verdruß beider Großmächte - Kuba ein, doch die USA übertreiben Castros Hilfe  ■  Aus Managua Ralf Leonhard

Gorbatschows Außenminister Edward Schewardnadse wurde in Managua mit großem Bahnhof empfangen, als er Dienstag zu einem 24stündigen Arbeitsaufenthalt eintraf. Schließlich hat noch nie ein so hoher Funktionär der Sowjetunion das zentralamerikanische Land besucht. Bei den Gesprächen mit Präsident Daniel Ortega und der Führung der regierenden sandinistischen FSLN ging es vor allem um die Vereinbarungen, die Schewardnadse vor wenigen Tagen mit US -Außenminister James Baker in Wyoming getroffen hat.

Die Sowjetunion hat Ende letzten Jahres ihre Waffenlieferungen an Nicaragua eingestellt; aufgrund eines einseitigen Beschlusses und nicht infolge eines Abkommens mit den USA, wie die sowjetische Botschaft in Managua betont. Seit April 1988 herrscht eine - wenn auch fragile Waffenruhe, und bis Jahresende sollen die von den USA ausgerüsteten Contras unter internationaler Aufsicht demobilisiert werden. Bei den Wahlen im Februar soll dann kein Schuß mehr fallen.

Offenbar ist die Sowjetunion nun besorgt, daß Nicaragua seine Waffenarsenale jetzt über Kuba ergänzt. Laut Berichten des State Department sind in diesem Jahr rund 12.000 Tonnen Kriegsgerät aus der Karibikinsel gekommen; die USA sprechen von einer „enormen Steigerung“ der Waffenlieferungen. Dabei entspricht die Menge ziemlich genau der Quantität, die letztes Jahr noch aus der UdSSR kam. Ein europäischer Militärexperte weist außerdem darauf hin, daß es sich hauptsächlich um „leichtes Material“ und Transportmittel handle. Über den Konflikt in Mittelamerika gibt es aber inzwischen eine Verständigung zwischen der Sowjetunion und den USA.

Nicaragua, das dank US-Wirtschaftsembargo und Boykott durch die internationalen Finanzinstitutionen wirtschaftlich von der Sowjetunion abhängt, ist für Moskau eine nicht unbeträchtliche Belastung. Zwischen 1981 und 1988 hat sich das Handelsvolumen zwischen den beiden Staaten verzwanzigfacht. Die Leistungen der Sowjets werden auf über drei Milliarden Dollar geschätzt.

Der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow wird das mittelamerikanische Land in seiner wirtschaftlich und auch politisch prekären Situation sicher nicht fallen lassen, doch erwartet er wohl außenpolitisches Wohlverhalten von den Sandinisten.