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Bundeswehr will kein Mörder sein

Die Bundeswehr besteht auf einem Urteil / Diskussion ja, aber beim „Mörder“ hört's auf / Auch fünfter Verhandlungstag glich eher einer Diskussionsveranstaltung als einem Prozeß  ■  Aus Frankfurt Heide Platen

Dienstag nachmittag - Ende des fünften Verhandlungstages um den Satz „Alle Soldaten sind potentielle Mörder“. Der Vorsitzende der 29. Strafkammer des Frankfurter Landgerichts, Heinrich Gehrke, schlägt mit gleichmäßig verdrießlichem Blick auf die Kontrahenten vor, das Verfahren einzustellen. Ein Urteil, stellt er fest, sei in diesem Fall „wieder nicht das letzte Wort“: „Ich spreche damit insbesondere die Nebenklage an.“

Die Nebenklage, die Bundeswehr und deren Dienstherr, das Verteidigungsministerium, wird vertreten durch den Bonner Rechtsanwalt Jürgen von Danwitz aus Bonn. Der übersetzt das Gebrummel, das der richterliche Vorschlag zur Güte bei den im Gerichtssaal versammelten Militärs auslöst: „Nicht hinnehmbar und nicht erträglich!“ Die Bundeswehr verlange von dem Frankfurter Arzt Peter Augst zumindest eine Entschuldigung. Außerdem könne es nicht angehen, das künftig irgendwer ungestraft sagen könne, daß alle Soldaten potentielle Mörder seien. Die Bundeswehr, betont General Hüttel anschließend für seine Schutzbefohlenen, sei bereit, „über alles“ zu diskutieren, nicht aber darüber, ob sie „Mörder“ genannt werden dürfe.

Daß da, wo die Bundeswehr nicht mehr mitdiskutieren will, der gesellschaftliche Dialog erst anfängt, hatte vorher die Friedensforscherin und Soziologin Hanne-Margret Birckenbach -Wellmann erläutert. Sie gab zu bedenken, daß eine Äußerung, die von zwei Dritteln der Bevölkerung geteilt werde, nicht gerichtlich verboten werden könne. Die Bundeswehr müsse sich dem Diskurs stellen. Ähnlich sah auch das Gericht die Problematik. Es gestaltete den Prozeß auch an diesem Verhandlungstag wieder eher wie eine Diskussion denn als ein Strafverfahren.

Eine Verurteilung des Arztes wegen Beleidigung, stellte Richter Gehrke im fallgerechten Jargon fest, sei „auch nicht das Ende der Fahnenstange“: „Wir haben“, zog er das Fazit, „auch erkannt, daß das hier nicht vor Gericht ausgetragen werden müßte“. Dem war eine eingehende Befragung der Gutachterin Birckenbach-Wellmann vorausgegangen. Dabei ging es dem Gericht vor allem darum, zu klären, ob die Behauptung des Arztes, Soldaten werden durch Drill zum Töten erzogen, der Wahrheit des Soldatenalltags entspreche. Darum, so Birckenbach-Wellmann, komme man nicht herum.

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