Studienreform durch die kalte Küche?

Kultusminister streiten heute über Medizinerausbildung / Hamburgs Wissenschaftssenator Ingo von Münch befürchtet einen „Verlust des Vertrauens in die staatliche Hochschulpolitik“ / Keine Einigung über geplanten Abbau von 2.500 Studienplätzen in Sicht  ■  Von Axel Kintzinger

Hamburg (taz) - Beim heutigen Treffen der Kultus- und Wissenschaftsminister der Bundesländer in Kiel stehen die Zeichen auf Sturm. Nach mehrmonatiger Vorbereitung berät die Kultusministerkonferenz (KMK) über eine Reform des Medizinstudiums, die den Abbau fast jedes vierten Studienplatzes in diesem Fach zur Folge hätte. Damit würde eine alte Forderung der Bundesärztekammer erfüllt. Doch in der KMK besteht keine Einigung über diesen Schritt. Die jedoch ist notwendig, denn: Die KMK verfährt - schlimmer als moderne Alternativbetriebe - nach dem Konsensprinzip. Da reicht es aus, daß mit Hamburg ein Bundesland in dem Streichkonzert nicht mitspielen will. Noch im Frühsommer sprachen sich auch das Saarland und Berlin gegen den immensen Studienplatzabbau bei den Medizinern aus - doch sowohl die Lafontaine-Regierung als auch der rot-grüne Senat kneifen jetzt. Bleibt also noch Hamburgs Wissenschaftssenator Ingo von Münch (FDP) übrig. Und der schaltet auf stur.

Die geplante Streichung von rund 2.500 Studienplätzen für Mediziner pro Jahr stellt seiner Meinung nach einen „eklatanten Widerspruch“ zur Hochschulpolitik des Bundes dar. Erst in diesem Jahr hatte Bonn mit einem millionenschweren Hochschulsonderprogramm auf die Überfüllung der Universitäten reagiert, war man einig in dem Willen, den Abbau von Kapazitäten zu verhindern. Münch befürchtet daher jetzt einen „Verlust des Vertrauens in die staatliche Hochschulpolitik“. Anlaß für die Reform ist der nur leicht abgeflaute Sturm auf die Medizinischen Hochschulen. So haben sich im vergangenen Jahr trotz ständiger Mahnungen vor einer „Ärzteschwemme“ knapp 12.500 Studienanfänger in diesem Fach eingeschrieben. Vorlesungen und Übungen sind in einem Maße überlaufen, daß auch die Qualität der Ausbildung leidet.

Diesen Umstand machen die Wissenschaftspolitiker jetzt zum Hauptargument für die gewünschte Streichmaßnahme. Und: Unter Berufung auf Zahlen der Ärztelobby verweisen sie auf die angeblich hohe Arztdichte. Auf nur 370 Einwohner käme demnach ein Arzt - der höchste Wert im internationalen Vergleich. Tatsächlich ist jedoch jeder achte Mediziner über 60 Jahre alt, jeder vierte hat mehr als 50 Lebensjahre auf dem Buckel. Bei der Argumentation der KMK-Mehrheit fehlt auch die Erwähnung der massenhaften Überstunden, die von den rund 87.000 Krankenhausärzten geleistet werden müssen.

Der Hamburger Wissenschaftssenator befürchtet im Gegensatz zu seinen Kollegen einen langfristig steigenden Bedarf an Ärzten. Allergien und andere oft umweltbedingte Krankheiten stiegen, auch wegen Aids und der zunehmenden Überalterung der Gesellschaft würden mehr Mediziner gebraucht als heute vermutet. Sorgen macht man sich in der Hamburger Wissenschaftsbehörde zudem über die politischen Folgen des geplanten Beschlusses. Denn neben der Ärztelobby haben sich auch bereits Zahnmediziner und Informatiker gemeldet. Sie drängen ebenfalls auf eine Reduzierung der Studienplätze in diesen Fächern - durchzusetzen mit einer drastischen Erschwerung des Zugangs, etwa mit einem harten Numerus clausus. Der heute und morgen in Kiel auszutragende KMK -Konflikt könnte also, befürchtet man in Hamburg, der Auftakt „zu einer Studienreform durch die kalte Küche“ sein.